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Kaeltezone

Kaeltezone

Titel: Kaeltezone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaldur Indridason
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geschossen haben – auf Menschen, die etwas verändern wollten?«
    »Ilona.«
    »Und dann diese gegenseitige Kontrolle«, fuhr Ilona fort, die sich in Rage geredet hatte. »Sie behaupten, dass es zu unserem Nutzen wäre. Wir sollen unsere Freunde und die Familie aushorchen, ob sie antisozialistische Anschauungen haben. Wenn du von einem deiner Kommilitonen weißt, dass er westliche Sender hört, sollst du es melden, und dann wird er von Seminar zu Seminar geschleift, um sein Verbrechen zu gestehen. Kinder werden aufgefordert, ihre Eltern anzuzeigen.«
    »Die Partei braucht Zeit, um sich zu etablieren«, sagte er. Als der Leipzig-Aufenthalt den Reiz des Neuen verloren hatte und die isländischen Studenten gezwungen waren, der Realität ins Auge zu sehen, hatten sie untereinander darüber diskutiert. Er hatte sich seine eigene Meinung über die überwachte Gesellschaft gebildet, über die gegenseitige Kontrolle, die darin bestand, dass sämtliche Staatsbürger sich gegenseitig bespitzelten und antisozialistische Ansichten und Verhaltensweisen meldeten. Auch über die totalitären Ansprüche der SeD, das Verbot von Presse-und Meinungsfreiheit, die Pflicht, an Parteiveranstaltungen und Aufmärschen teilzunehmen. Er war der Meinung, dass die Partei im Hinblick auf die Methoden, die verwendet wurden, nichts beschönigen, sondern offen eingestehen sollte, dass in Zeiten des Umbruchs bestimmte Methoden erforderlich waren, um das Ziel zu erreichen, den Aufbau eines sozialistischen Staates. Die Methoden waren zu rechtfertigen, solange sie nur übergangsweise verwendet wurden. Später, wenn die Menschen eingesehen hätten, dass der Sozialismus die beste aller Gesellschaftsformen sei, würde man solche Methoden nicht mehr brauchen.
    »Die Leute haben Angst«, sagte Ilona.
    Er schüttelte den Kopf, und sie stritten sich. Er wusste nur sehr wenig darüber, was in Ungarn passierte, und sie war verletzt, dass er ihre Worte in Zweifel zog. Er hatte ihr gegenüber nur dieselben Argumente zur Hand, die er auf den politischen Versammlungen in Island gehört und in den Schriften von Marx und Engels gelesen hatte, aber alles war vergeblich. Sie schaute ihn nur an und wiederholte immer wieder: »Du darfst deine Augen nicht davor verschließen.« »Ihr lasst euch von der Propaganda der westlichen Imperialisten gegen die Sowjetunion beeinflussen«, sagte er. »Sie wollen die Solidarität unter den kommunistischen Staaten untergraben, weil sie Angst davor haben.«
    »Das stimmt nicht«, sagte sie.
    Sie schwiegen. Die Biergläser waren leer. Er war wütend auf Ilona. Nur in der reaktionären Presse in Island hatte er solche Äußerungen über die Sowjetunion und die Ostblockstaaten bisher gelesen. Er wusste von der starken Propagandamaschinerie der Westmächte, weil sie in Island hervorragend funktionierte, und für ihn stellte es sich so dar, dass unter anderem ihretwegen die Presse-und Meinungsfreiheit in den osteuropäischen Ländern eingeschränkt werden musste. Er fand das verständlich, solange man nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Aufbau von sozialistischen Staaten beschäftigt war. Seiner Meinung nach ging es nicht darum, die freie Meinungsäußerung zu unterdrücken.
    »Wir dürfen uns nicht streiten«, sagte sie.
    »Nein«, sagte er und legte Geld auf den Tisch. »Gehen wir.«
    Auf dem Weg nach oben puffte Ilona ihn leicht mit dem Ellbogen, und er sah sie an. Sie versuchte ihm mit ihrem Mienenspiel etwas zu sagen und nickte leicht in Richtung des Tresens.
    »Da ist er wieder«, flüsterte sie.
    Er blickte in die Richtung und erkannte den Mann, von dem Ilona glaubte, dass er sie beschattete. Er saß im Mantel da, schlürfte Bier und tat so, als sähe er sie nicht. Aber es war derselbe Mann wie vor der Thomaskirche.
    »Ich knöpf mir diesen Kerl jetzt vor«, sagte er.
    »Nein«, sagte Ilona. »Tu das nicht. Lass uns gehen.«
    Einige Tage später sah er Hannes an seinem Arbeitsplatz in der Unibibliothek und setzte sich zu ihm. Hannes blickte nicht hoch, sondern machte sich weiter Notizen in seinem Schreibblock.
    »Ärgert dich das, was sie sagt?«, fragte Hannes, der immer noch in seinen Block schrieb.
    »Wer?«
    »Ilona.«
    »Kennst du Ilona?«
    »Ich weiß, wer sie ist«, sagte Hannes und blickte hoch. Er trug einen dicken Schal und Fingerlinge.
    »Du weißt von uns?«, fragte er.
    »Hier erfährt man alles«, sagte Hannes. »Ilona stammt aus Ungarn, deswegen ist sie nicht ganz so naiv wie wir.«
    »So naiv wie wir?«
    »Vergiss

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