Käptn Snieders groß in Fahrt
zwanzig bunten Garderobenhaken, an denen drei Pudelmützen und einige Jacken hingen, und sah Frau Besenhoff, die sich in der Ecke unter der Feuerspritze mit Besen und Schaufel zu schaffen machte, obwohl es da so früh am Morgen nichts zu schaffen gab. Minna, die auf dem kurzen Weg mal vor, mal hinter dem Kapitän hergeflogen war, saß nun wieder auf seiner Schulter und äugte ebenfalls in den Korridor hinein und auf die fleißige Frau Besenhoff.
„Was willst du oller Seebär denn hier?“ rief die Frau dem alten Kapitän entgegen. „Hast dich wohl verlaufen mit deinem dunkelhaarigen Abraxas, was?“
„Ich nicht, du abgetakelte Brigg, aber du“, antwortete der Käpten. „Willst du jetzt etwa klar Schiff machen, wo wir in See stechen wollen?“
„Natürlich will ich das. Oder meinst du, ich halte den Besen zu meinem Vergnügen in der Hand?“ rief Frau Besenhoff schlagfertig. Und wichtigtuerisch fügte sie hinzu: „Heute kommt doch ein neuer Lehrer, falls dich alten Hammerhai das überhaupt interessiert. Das hat mir der Bürgermeister ganz im Vertrauen gesagt.“
„So, hat er das“, sagte Käpten Snieders und schaukelte breitbeinig auf sie zu. „Dann mach mal Platz. Der neue Lehrer ist nämlich schon da.“
Er wartete nicht, bis die überraschte Raumpflegerin den Mund wieder geschlossen hatte, sondern schlingerte an ihr vorbei, öffnete die Klassentür und warf sie mit einem Knall hinter sich zu.
In der Klasse erstarben alle Geräusche. Siebzehn Kinder sahen mit auf gerissenen Augen auf den alten Kapitän, der da breitbeinig in der Tür stand, die brennende Pfeife im Mund und die zahme Dohle auf der Schulter. Weil er nicht genau wußte, wie man so eine Schar Kinder begrüßte und anredete, entstand eine längere Pause, in der sich keiner recht wohl fühlte. Marichen Buttjer faßte sich zuerst. Sie rief mit ihrer hellen Stimme durch den Raum: „Mensch, Käpten Snieders, was willst du denn hier? Willst du auch noch lesen und schreiben lernen?“
Das brachte den alten Mann wieder zu sich. Er holte über und rollte, den Bug tief eintauchend, nach vorn, wo das Pult stand. Dort drehte er sich den Kindern zu und donnerte mit seiner in dreitausend Winden aufgerauhten Stimme: „Guten Morgen, Leute! Alle Mann an Deck! Marsch, marsch!!!“
Und da die Kinder das nicht gleich verstanden, brüllte er so laut, als müßte er dem Matrosen im Mastkorb einen Befehl erteilen: „Aus den Bänken und hinstellen. Wird’s bald!!!“
Die Kinder, die den alten Kapitän nur als friedfertigen Menschen
kannten, der seine Pfeife rauchte und von der Kommandobrücke aus auf die Weser guckte, waren verwirrt. Aber nach und nach erholten sie sich und stellten sich neben die Bänke.
Käpten Snieders sah das mit Genugtuung.
„Tschawoll“, brummte er, „so sieht das schon besser aus. Und nun möchte ich von euch begrüßt werden, aber mit achterlichem Wind, wenn ich bitten darf.“
„Wir sollen guten Morgen sagen“, flüsterte Trinchen Hoffmann Susi Hartung zu. Sie flüsterte aber vor Aufregung so laut, daß es die ganze Klasse hörte. Zwei Sekunden später riefen alle: „Guten Morgen, Käpten Snieders!“
Der legte dankend die Hand an die Mütze und schrie: „Hinsetzen!!“
Kaum saßen die Kinder wieder, da steckte Frau Besenhoff ihr neugieriges Gesicht durch die Tür.
„Ich hör’ ja wohl nicht recht“, fing sie an, „wer schreit hier denn so?“
Im nächsten Augenblick aber zuckte sie zusammen, als wäre ihr ein Lukendeckel auf den Kopf gefallen.
„Raus!“ brüllte Käpten Snieders. „Von Bord! Die Barkassen legen ab. Hier ist kein Platz für Weiber und Gewitterziegen! Raus mit dir!“
„Mann, du haust aber mächtig auf die Pauke“, sagte die Putzfrau leise und sichtlich eingeschüchtert. „Ich wollte doch nur sehen...“
„Raus!!“
Da zog sie es vor, die Klasse zu verlassen.
Käpten Snieders aber sagte laut in die erwartungsvolle Stille hinein: „Ich bin euer neuer Lehrer. Wir fangen heute mit Erdkunde an.“
Erdkunde zur See
Käpten Snieders schaute sich das Pult und den dahinterstehenden Stuhl an. Auch auf die schwarze Wandtafel warf er einen prüfenden Blick. Er sah den Schwamm, den Lappen und die Kreide und nahm sich vor, sie so selten wie möglich in die Hand zu nehmen.
„Dies hier ist die Kommandobrücke“, sagte er langsam. „Ich bin der Kapitän, und ihr seid die Mannschaft. Der Kapitän hat immer das letzte Wort. Wer gegen seine Befehle aufmuckt, meutert und wird bestraft.
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