Käptn Snieders groß in Fahrt
herunterfällt!“
Das gab den Ausschlag.
„Also schön, warten wir, bis Minna von selbst aufwacht“, brummte der alte Fahrensmann, „denkt nur weiter nach.“ Aber das wollte bei keinem recht klappen. Sie feixten alle und schnitten Grimassen, saßen aber mucksmäuschenstill, damit Minna nur ja nicht erwachte.
Als Käpten Snieders das begriff, beschloß er, den Unterricht mündlich fortzusetzen. Schließlich hatte er ja noch nicht alles durchgenommen. Er ließ sich vom Knastermaat Kluten Neumann die Pfeife neu stopfen und fing wieder an.
„Hört zu, Leute, auch die Freiwache! Australien ist eine große Insel, und wenn man immer nach Westen segelt, kommt man nach Amerika. In Marokko tragen die Leute einen Fez und auf Hawaii nur so ’n bißchen Bast um den Po. Die Straße von Gibraltar liegt zwischen Spanien und Afrika, und der Amazonas ist tausendmal so groß wie die Weser bei Hochwasser.“
Da meldete sich Erna tom Dieck.
„Woher kommt das Hochwasser?“ fragte sie näselnd, denn sie hatte mal wieder Schnupfen. Käpten Snieders freute sich über das Interesse.
„Das Hochwasser kommt natürlich aus der Nordsee“, erklärte er. „Und die Nordsee kriegt es frei Haus aus dem Atlantik. Und der Atlantik, der kriegt es wieder aus der Nordsee, und die bezieht es wieder aus der Weser. So geht das immer hin und her.“
„Das verstehe ich nicht“, sagte Marichen Buttjer. Und weil auch Ludwig Reiners und Hans Schneider dumme Gesichter machten, bequemte sich Käpten Snieders, ein bißchen weiter auszuholen. „Wenn ihr das alle nicht begreift“, sagte er, „muß ich euch das mal gründlich verklären. Hört gut zu!“
Ebbe und Flut
„Also, das war im Jahre, wartet mal... nee, noch ein bißchen früher“, begann er, „da fuhr ich als Bootsmann auf einer wunderschönen Viermastbark. Das war ein Schiff, kann ich euch sagen, piekfein und zuverlässig. ,Roland von Bremen‘ hieß es. Und die Mannschaft, die war wie aus einem Guß. Wir durchkreuzten alle sieben Meere und erlebten die tollsten Sachen miteinander. Aber wir fanden immer wieder nach unserem Heimathafen Bremen zurück.
Eines Tages nahmen wir Ladung für Südamerika an Bord, Maschinen und Chemikalien. Als wir alles gestaut und festgezurrt hatten, verabschiedeten wir uns an der Pier von den Muttis und Bräuten, die für die nächsten acht oder neun Monate ohne ihre Jungen auskommen mußten und fürchterlich heulten. Unserm alten Kapitän Jan Bullerdiek ging das immer mächtig nahe, denn unter seinem dicken blauen Pullover schlug ein mitfühlendes Herz. Er schob das Kommando ,Leinen los!‘ immer noch eine Viertelstunde hinaus.
Schließlich legten wir aber doch ab und trieben ruhig mit gerefften Segeln die Weser abwärts. In Vegesack gingen wir noch mal an Land, um uns aus dem ,Havenhaus‘ drei Fässer Rum mitzunehmen, weil unserm Käpten Bedenken gekommen waren, ob die drei Fässer, die er schon in Bremen hatte einladen lassen, reichen würden. Und dann glitten wir ohne Zwischenfall weserabwärts, an unserer Warflether Kirche vorbei, an Elsfleth, Brake und Nordenham. In Bremerhaven stieg Fietje Meiners, der Erst$ Offizier, zu, der gerade geheiratet hatte, und zwar die Tochter des Organisten aus der Bremerhavener Michaeliskirche. Gegen Abend passierten wir die Alte Mellum und das Feuerschiff ,Weser ‘, und dann hatten wir einen steifen achterlichen Wind, der ganz unprogrammgemäß aus Osten blies und uns schon am übernächsten Tag durch den Kanal trieb. Die Stimmung war gut bei dem herrlichen Wind, und darum ließ der Käpten dreimal am Tag ,Besanschot an!‘ rufen. Das bedeutete, daß wir uns alle auf dem Achterdeck einfinden mußten, um ein Glas Rum in Empfang zu nehmen. Hein Brink saß stundenlang auf dem Gangspill und nödelte auf seiner Ziehharmonika die allertraurigsten Lieder. Kurz: es war eine unvergleichliche Reise.
Nach vier Wochen umsegelten wir die Azoren und hatten immer noch nichts Unerfreuliches erlebt. Da schrie doch eines Abends der Ausguck aus dem Krähennest erschrocken: ,Wahrschau!!‘ und fuchtelte wie wild mit den Armen in der Luft herum. Wir rissen unsere Nachtgläser an die Augen und schauten über den Bug nach vorn. Aber da war nichts zu sehen. Dennoch spürten wir, daß irgend etwas mit dem Schiff vorging. Es machte nämlich plötzlich sehr rasche Fahrt, obwohl wir seit zwei Tagen scharf gegen den Wind kreuzen mußten. Was war los? Ihr könnt euch denken, daß alle Mann an Deck gekommen waren, um nach der
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