Käptn Snieders groß in Fahrt
verlangende Augen machten, ließ er sie auch mal das Rad halten. Käpten Snieders saß in der Kajüte und unterhielt sich mit Fräulein Riensberg.
Der Ebbstrom hatte zwar schon wieder eingesetzt, aber das Motorboot mit seinem geringen Tiefgang von vierzig Zentimetern fand noch genug Wasser unterm Kiel. So konnten sie über den Hohen Weg fahren, erreichten ohne Zwischenfälle die Jade-Fahrrinne und gegen Mittag schon Wilhelmshaven.
Da die „Golden World“, das Tankschiff, auf dem Wolfgangs Bruder fuhr, erst um vierzehn Uhr erwartet wurde, beschlossen sie, gemeinsam essen zu gehen. Käpten Snieders lud alle ein zu Goldbarschfilet auf Helgoländer Art. Die Jungen aßen zwei Portionen und fanden hinterher noch Platz in ihrem Magen für eine Bratwurst auf Wilhelmshavener Art, die Fräulein Riensberg spendierte. Auch das Eis mit Schlagsahne brachten sie noch unter. Dann endlich beteuerten sie, daß sie nun für die nächsten zwei Stunden satt wären.
Pünktlich um vierzehn Uhr waren sie am Ölhafen, und ebenso pünktlich lief die „Golden World“ ein. Wolfgang war so aufgeregt, daß er dauernd hin und her rannte. Käpten Snieders hielt sich mit den andern ein wenig abseits, um die Begrüßung der beiden Brüder nicht zu stören.
Als Hans Lofing den Laufsteg herunterkam, lief Wolf gang ihm entgegen und fiel ihm um den Hals, ohne sich um die andern Matrosen zu kümmern. Die hatten auch keine Zeit, darauf zu achten, da sie selber von ihren Frauen, Bräuten, Müttern und anderen Verwandten stürmisch begrüßt wurden.
Hans Lofing war natürlich überrascht, daß eine so große Mannschaft auf ihn wartete, aber alle merkten, wie sehr er sich freute. Nach einer kurzen Beratung bummelten sie gemeinsam zum Botanischen Garten und verbrachten dort den größten Teil des Nachmittags. Käpten Snieders sorgte dafür, daß die beiden Brüder Gelegenheit fanden, sich in aller Ruhe auszusprechen, denn er spürte, daß Wolfgang keinen gewöhnlichen Besuch machte. Gegen fünf Uhr saßen sie in einem gemütlichen Cafe am Südstrand und nahmen den Kampf mit Ananas- und Erdbeertorten auf.
Hans Lofing war seinem Bruder sehr ähnlich. Er gehörte wie jener zu den Stillen, die mehr mit den Augen lebten als mit dem Mund. Natürlich wollte er mal Kapitän auf Großer Fahrt werden. Käpten Snieders mochte ihn sofort und lud ihn zu einem mehrtägigen Besuch in sein Haus ein.
„Wenn du deinen Urlaub kriegst und Lust hast, kannst du bei mir wohnen, solange du willst. Ich hab’ noch ’ne gute Hängematte auf dem Boden, in die du bestimmt ’reinpaßt.“
„Vielen Dank, Herr Kapitän“, entgegnete der große Junge, „ich komme gerne, da ich ja nun sowieso nirgends mehr zu Hause bin.“ Das letzte klang sehr bitter, und Käpten Snieders beeilte sich, ein anderes Thema anzuschneiden.
Sie winkten noch lange, als die „Golden World“ am Abend wieder in See stach. Wolfgang bemühte sich nicht, seine Tränen zu verbergen.
Jochen Klampfer brauchte sechs Stunden gegen den Ebbstrom, bis er Ritzenfleth erreichte. Es war drei Uhr morgens. Weil die drei Flößer um diese Zeit nicht ihre Eltern und Tanten aus dem Bett trommeln wollten, blieben sie, gemeinsam mit Fräulein Riensberg, bei Käpten Snieders. Dort ließen sie sich auf der Koje, der Seekiste und den Stühlen nieder und tranken so lange Glühwein, bis die Kämmerei tutete und Furkens Hahn so unverschämt laut krähte, daß jeder Bewohner Ritzenfleths aus dem Schlaf gerissen wurde.
Da machten sie sich auf, dem häuslichen Donnerwetter entgegen. Ganz so schlimm erwarteten sie es nicht, denn sie hatten eine von Fräulein Riensberg geschriebene und von Käpten Snieders Unterzeichnete Entschuldigung in der Hand, aus der jeder Lesekundige entnehmen konnte, daß sie weder Gauner noch Spitzbuben oder gar faule Herumtreiber wären, sondern daß sie nur eine dringend notwendige Fahrt unternommen hätten.
Heimlichkeiten
Die Pflegeeltern von Max Beerwein machten ein erstauntes Gesicht, als sie ihren Ziehsohn wiedersahen, hatten sie doch im stillen gehofft, er wäre endgültig davongelaufen. Vorwürfe bekam er nicht zu hören.
Kluten Neumann kam nicht so glimpflich davon. Sein Vater hielt ihm eine Standpauke, die man drei Häuser weiter noch mit anhören konnte.
„Was soll das heißen“, schrie er, „,Wir sind ein paar Tage unterwegs, macht euch keine Sorgen!’? Wohin, mit wem und womit seid ihr unterwegs? Das hätten wir auch gern erfahren. Meint ihr denn, ihr könnt machen, was
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