Käptn Snieders groß in Fahrt
erschöpft.
Wolfgang ergriff den Schneeschieber und begann zu arbeiten. Das machte ihn wieder warm. Bald löste Max ihn ab. Als er aufhörte, um sich auszuruhen, hörten sie deutlich das Stampfen einer schweren Maschine.
Zu Tode erschrocken, horchten sie. Ob das die Fähre war? Oder vielleicht sogar ein großer Frachter? Das Stampfen kam näher. Und plötzlich tönte ein Nebelhorn warnend durch das feuchte Grau. Atemlos warteten sie auf das nächste Signal. Das kam augenblicklich hinterher, aber von der anderen Seite. Und dann tutete es von überallher, nah und fern.
„Wir müssen mitten im Fahrwasser sein“, flüsterte Kluten.
Ein furchtbarer Gedanke!
Wolfgang nahm den Schneeschieber auf.
„Ich rudere noch ein bißchen“, sagte er, steckte das merkwürdige Ruder ins Wasser und begann.
„Ich hab’ Grund!“ rief er plötzlich.
„Mach keinen Quatsch“, sagte Max mit zitternder Stimme. „Klar, hier, fühl doch! Das Wasser ist keinen halben Meter tief!“ Kluten riß ihm den Schneeschieber aus der Hand und maß nach. „Tatsächlich“, schrie er erregt, „wir sind auf dem Watt, vielleicht sitzt das Floß sogar fest.“
„Gott sei Dank“, sagte Wolfgang leise.
„Ich lach’ mich kaputt“, kreischte Max, „denken wir, wir schippern mitten in der Nordsee, und dabei sitzen wir mit dem Hintern im Schlick! Das ist vielleicht ein Witz!“
„Gott sei Dank“, sagte Wolfgang noch einmal.
Die Nebelhörner machten ihnen nun keine Angst mehr.
„Ich steig’ mal aus“, sagte Kluten, „dann merkt man am besten, in welche Richtung das Wasser treibt.“
Ohne sich lange zu besinnen, sprang er über Bord. Das Wasser reichte ihm nicht mal bis ans Knie. Er beugte sich hinab und hielt die offenen Hände hinein.
„Wie spät hast du, Wolfgang?“ fragte er.
„Gerade zwei.“
„Dann fällt es noch. Warte mal, es fließt nach da. Dann muß da drüben die Küste sein. Kommt, wir fassen uns an und gehen drauflos.“
„Und was wird aus dem Floß?“ fragte Wolfgang.
„Das muß der letzte nachziehen.“
Kluten hatte die Richtung gut ausgemacht. Während sie gingen, wurde das Wasser immer flacher, und bald saß das Floß auf, so daß sie es tragen mußten. Zwei Priele mußten sie durchqueren, dann waren sie auf dem völlig trocken gefallenen Watt. Aber auf dem Festland waren sie noch lange nicht. Erst nach einer halben Stunde hörten sie Sand unter den Füßen knirschen. Nach weiteren zweihundert Schritten stießen sie an eine Böschung, fühlten Gras und fielen um, unbeschreiblich glücklich und unsagbar müde. In wenigen Minuten schliefen sie tief und fest.
Hier sitzt man auf dem Trockenen
Als sie erwachten, war es heller Tag. Die Sonne schien warm, und vom Nebel war nicht ein einziger Schleier zurückgeblieben. Sie setzten sich auf, sahen vor sich das Watt, das weite Meer und hinter sich den Deich. Ihr Floß lag zu ihren Füßen. Seine Bretter leuchteten weiß. Es war ganz trocken. Ein Motorboot schaukelte kaum hundert Meter vom Ufer entfernt in einem Priel vor Anker. Neben ihnen aber saß und rauchte und machte ein zufriedenes Gesicht - Käpten Snieders. Jawohl, niemand anders als der alte Mann saß da im Gras in seiner blauen Uniform. Und neben ihm hockte ein Mädchen oder eine junge Frau und ließ den trockenen Sand durch ihre Finger rieseln.
„Aha“, sagte der Alte, „meine Herren Offiziere und ihr Lotse wachen auf!“
Die Jungen waren so erstaunt, daß sie kein Wort sagen konnten. Sie sahen einander nur ratlos an.
„Was machen Sie denn hier?“ stieß Kluten schließlich hervor. „Das wollte ich eigentlich euch fragen“, antwortete der Schiffer und sog heftig an seiner Pfeife. „Komm, Knastermaat, mir ist die Piep ausgegangen. Bring sie mal wieder in Ordnung.“
Kluten nahm zögernd die Pfeife und stellte sich beim Stopfen viel ungeschickter an als sonst. Käpten Snieders aber erzählte ihnen, warum und seit wann er hier war.
„Ich hab’ euch gestern beobachtet“, sagte er, „mit dem Fernrohr, und dachte mir gleich, daß ihr irgendwas Verrücktes vorhattet. Und darum hielt ich es für besser, ein wenig hinter euch herzufahren. Es hätte ja sein können, daß ihr mit eurer Hochwasserjacht gekentert wäret.“
„Hinter uns her?“ fragte Wolfgang. „Sind Sie etwa auch mit einem Boot hier?“
„Da draußen liegt es“, sagte Käpten Snieders. „Es gehört Jochen Klampfer, das ist ein Freund von mir, und macht zwanzig Knoten.“
Die Jungen blickten nach dem Motorboot
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