Kafka am Strand
am besten denke ich einfach nicht mehr darüber nach. Es nützt ja doch nichts. Ich mache alles, wie Sie es sagen. Gestern Abend ist mir aufgegangen, dass es sich nicht lohnt, über jede Verrücktheit ernsthaft nachzudenken.«
»Ein weiser Entschluss. ›Denken tun Narren, kluge Leute wissen schon‹, sagt das Sprichwort.«
»Ein gutes Sprichwort.«
»Ein tiefsinniges Sprichwort.«
»Man kann auch sagen ›Wenn Grillen Grillen grillen, grillen Grillen Grillen‹.«
»Was soll denn das heißen?«
»Ein Zungenbrecher. Hab ich selbst erfunden.«
»Ist das etwas, das unbedingt hier und jetzt gesagt werden musste?«
»Nein, ich hab’s nur mal so gesagt.«
»Eine Bitte, Hoshino, würdest du es freundlicherweise unterlassen, solchen Blödsinn zu reden? Da wird man ja ganz verrückt. Ich vertrage solches Zeug nicht, das weder Sinn noch Verstand hat.«
»Entschuldigen Sie«, sagte Hoshino. »Wollten Sie eigentlich etwas von mir? Sonst würden Sie doch sicher nicht so früh anrufen.«
»In der Tat – das hätte ich fast vergessen«, sagte Colonel Sanders.
»Das Wichtigste kommt ja noch. Also, kleiner Hoshino, ihr müsst jetzt schnellstens das Gasthaus verlassen. Die Zeit drängt, und Frühstück ist nicht drin. Du weckst jetzt sofort Nakata, ihr schnappt euch den Stein, dann raus aus dem Hotel und rein in ein Taxi. Du lässt dir kein Taxi vom Hotel aus rufen, sondern hältst eins auf der Straße an.
Dem Fahrer sagst du folgende Adresse. Hast du was zu schreiben zur Hand?«
»Ja«, sagte Hoshino und holte sein Notizbuch und einen Kugelschreiber aus seiner Tasche. »Schippe und Besen, allzeit bereit.«
»Du sollst nicht rumblödeln!«, schrie Colonel Sanders ins Telefon.
»Die Sache ist ernst. Es geht um Sekunden.«
»Jawohl, ich habe Papier und Stift.«
Colonel Sanders diktierte ihm eine Adresse, der junge Mann schrieb sie auf und las sie zur Sicherheit noch einmal vor. »** dritter Block, 16-15, Takamatsu Park Heights, Apartment 308. Richtig so?«
»Gut«, sagte Colonel Sanders. »Vor der Tür steht ein schwarzer Schirmständer. Darunter liegt ein Schlüssel. Damit schließt du auf, und ihr geht in die Wohnung. Fühlt euch wie zu Hause. Es ist alles da, was ihr braucht, sodass ihr vorläufig gar nicht aus dem Haus müsst.«
»Ist das Ihre Wohnung, Colonel?«
»Ja. Sie gehört mir, obwohl gehören nicht ganz das richtige Wort ist. Ich habe sie nur gemietet. Ihr könnt es euch bequem machen. Es ist alles da.«
»Colonel?«, sagte Hoshino.
»Was gibt’s?«
»Sie sind weder Gott, Buddha noch Mensch. Außerdem haben Sie keine Form. Stimmt doch, oder?«
»Genau.«
»Und Sie sind nicht von dieser Welt.«
»Richtig.«
»Wie kann denn ein solches Wesen überhaupt eine Wohnung mieten? Wenn Sie kein Mensch sind, haben Sie doch auch kein Familienregister, keine Meldebescheinigung, keine Verdienstbescheinigung, kein Siegel und keinen registrierten Stempel, oder? Aber ohne die kann man keine Wohnung mieten. Haben Sie’s mit einem Zaubertrick geschafft? Ein Blatt von einem Baum in ein Siegel verwandelt und damit den Vermieter getäuscht? Ich habe keine Lust, in noch mehr Schwierigkeiten verwickelt zu werden.«
»Du bist ein Trottel.« Colonel Sanders schnalzte missbilligend mit der Zunge. »Ein ausgemachter Hohlkopf. Du spinnst wohl – ein Blatt von einem Baum! Ich bin doch kein Dachs 1 .
Ich bin eine Idee. Eine Idee und ein Dachs sind völlig verschiedene Dinge. Was redest du nur immer für einen Mist. Glaubst du, ich gehe extra zu einem Makler und fülle ein idiotisches Formular aus? Und feilsche um die Miete? ›Könnten Sie mir nicht etwas entgegenkommen?‹ Du bist wohl nicht ganz bei Trost. Mit solchen weltlichen Dingen beauftrage ich meine Sekretärin. Sie hat alle nötigen Papiere besorgt. Was glaubst denn du?«
»Ach so, Sie haben eine Sekretärin«, sagte Hoshino verwundert.
»Natürlich. Wofür hältst du mich? Für bescheuert? Ich bin außerordentlich beschäftigt, was ist so seltsam daran, dass ich eine Sekretärin habe?«
»Ist ja schon gut. Regen Sie sich doch nicht auf. Ich hab Sie doch nur ein bisschen hochgenommen. Aber Colonel, wieso müssen wir eigentlich so Hals über Kopf hier weg? Können wir nicht wenigstens noch in Ruhe frühstücken? Bestimmt kriegen wir Hunger. Außerdem schläft Nakata noch fest, und er ist bestimmt nicht einfach zu wecken …«
»Hör zu, kleiner Hoshino. Das hier ist kein Scherz. Die Polizei ist wie verrückt hinter euch her. Sie haben heute morgen als
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