Kafka am Strand
Versteck mehr für dich. Deshalb habe ich beschlossen, dich in die Berge zu bringen.«
»Ein geistig behinderter alter Mann, der in Nakano wohnt?«
»Hast du dazu irgendeine Idee?«
Ich schüttele den Kopf. »Überhaupt keine.«
»Er wohnt ganz in eurer Nähe. So ungefähr fünfzehn Minuten zu Fuß entfernt.«
»Ach, in Nakano wohnen massenhaft Leute. Ich weiß nicht mal, wer direkt neben uns wohnt.«
»Also gut. Die Geschichte geht noch weiter.« Oshima schaut mich flüchtig an. » Er hat es in der Einkaufsstraße Sardinen und Makrelen regnen lassen. Zumindest hat er dem Polizisten am Tag zuvor vorausgesagt, dass Fische vom Himmel fallen werden.«
»Donnerwetter.«
»Mindestens«, sagt Oshima. »In der Nacht des gleichen Tages hat es am Autobahnrastplatz Fujikawa Blutegel geregnet. Erinnerst du dich?«
»Klar.«
»Auf diesen Zusammenhang ist die Polizei natürlich auch aufmerksam geworden, und es besteht der Verdacht, dass diese merkwürdigen Vorfälle und der rätselhafte alte Mann in irgendeiner Beziehung zueinander stehen. Die Spuren laufen fast zu einer zusammen.«
Die Posthorn-Serenade ist zu Ende, und ein anderes Stück von Mozart setzt ein.
Die Hände am Lenkrad schüttelt Oshima den Kopf. »Eine äußerst merkwürdige Wendung. Die Geschichte war ja von Anfang an seltsam, aber jetzt wird sie immer seltsamer. Unvorhersehbar. Aber eins ist sicher: Die Fäden der Geschichte laufen allmählich hier in dieser Gegend zusammen. Dein Weg und der des geheimnisvollen Alten scheinen sich hier irgendwo zu kreuzen.«
Mit geschlossenen Augen lausche ich dem Brummen des Motors.
»Herr Oshima, wäre es nicht vielleicht besser, ich würde einfach in irgendeine andere Stadt fahren?«, sage ich. »Was auch geschieht, ich will Sie und Saeki-san nicht noch mehr in Schwierigkeiten bringen.«
»Und wohin zum Beispiel?«
»Ich weiß nicht. Wenn Sie mich zum Bahnhof bringen würden, könnte ich mich dort entscheiden. Eigentlich wäre mir jeder Ort recht.«
Oshima seufzt. »Ich kann nicht behaupten, dass ich die Idee besonders gut finde. Bestimmt wimmelt es am Bahnhof nur so von Polizisten, die nach einem großen, coolen Fünfzehnjährigen mit einem Rucksack und einer Obsession auf dem Buckel Ausschau halten.«
»Sie könnten mich ja an einem weiter entfernten Bahnhof absetzen, der nicht beobachtet wird.«
»Macht keinen Unterschied. Geschnappt wirst du überall.«
Ich sage nichts mehr.
»Jetzt mal ganz ruhig. Immerhin wurde kein Haftbefehl gegen dich erlassen. Und du wirst auch nicht steckbrieflich gesucht. Na also«, sagt Oshima.
Ich nicke.
»Und außerdem bist du auch jetzt noch frei. Wenn ich dich irgendwo hinbringe, ist das nur meine Sache. Ich verstoße gegen kein Gesetz. Ich kenne ja nicht mal deinen richtigen Namen, Kafka Tamura. Um mich brauchst du dir keine Gedanken zu machen. Ich bin ein äußerst vorsichtiger Mensch. So leicht kriegt man mich nicht zu fassen.«
»Herr Oshima?«
»Ja?«
»Ich habe mich mit niemandem verschworen. Wenn ich wirklich beschlossen hätte, meinen Vater umzubringen, hätte ich niemanden beauftragt.«
»Das weiß ich doch.«
Als wir an einer Ampel halten müssen, stellt Oshima den Rückspiegel ein. Er steckt sich ein Zitronenbonbon in den Mund und bietet mir auch eins an. Ich nehme es und werfe es mir in den Mund.
»Und dann?«
»Und dann was?«, fragt Oshima.
»Sie haben vorhin ›erstens‹ gesagt und einen der Gründe gemeint, aus denen ich mich in den Bergen verstecken muss. Wo es einen ersten Grund gibt, müsste es doch auch einen zweiten geben.«
Oshima starrt unentwegt auf die Ampel, aber sie will einfach nicht grün werden. »Der zweite Grund ist nicht so wichtig. Verglichen mit dem ersten.«
»Aber ich möchte ihn hören.«
»Saeki-san«, sagt Oshima. Endlich schaltet die Ampel auf Grün, und er gibt Gas. »Du schläfst mit ihr, stimmt’s?«
Ich kann nicht antworten.
»Das ist schon in Ordnung. Mach dir keine Gedanken. Ich weiß das, weil ich über Intuition verfüge. Mehr nicht. Sie ist ein wunderbarer Mensch, und obwohl sie eine Frau ist, wirklich hinreißend. Sie ist – ein ganz besonderer Mensch. In vieler Hinsicht. Natürlich ist der Altersunterschied zwischen euch sehr groß, aber das ist eigentlich kein Problem. Ich kann sehr gut verstehen, dass du dich zu ihr hingezogen fühlst. Du willst mit ihr schlafen. Das ist in Ordnung. Sie will mit dir schlafen. Auch in Ordnung. Eine einfache Sache. Mehr Gedanken mache ich mir darüber nicht. Wenn es für
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