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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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es. Was offen ist, muss geschlossen werden. Danach kann Nakata wieder der normale Nakata werden. Aber vorher hat er noch viel zu tun.«
    »Colonel Sanders hat uns bei unseren Aktionen geholfen«, sagte Hoshino. »Der Mann hat mir gesagt, wo der Stein ist, und uns hier Unterschlupf gegeben. Warum tut er das alles für uns? Ob zwischen Colonel Sanders und Johnnie Walker eine Beziehung besteht?«
    Je länger der junge Mann nachdachte, desto verwirrter wurde er. Es hat keinen Zweck, Sinn in etwas Unsinniges bringen zu wollen, dachte er.
    »Denken tun Narren, kluge Leute wissen schon, oder?«, sagte Hoshino und verschränkte die Arme.
    »Herr Hoshino?«
    »Was denn?«
    »Es riecht nach Meer.«
    Der junge Mann ging zur Balkontür und öffnete sie. Er trat hinaus auf den schmalen Balkon und sog die Luft durch die Nase ein. Aber es roch nicht nach Meer. In der Ferne sah man ein grünes Kiefernwäldchen, über das weiße, frühsommerliche Wolken zogen.
    »Ich rieche nichts«, sagte Hoshino.
    Nakata stellte sich neben ihn und schnupperte wie ein Eichhörnchen. »Doch, doch, da drüben ist das Meer.« Er deutete in die Richtung der Kiefern.
    »Hm, alter Freund, du hast eine feine Nase«, sagte der junge Mann. »Einer meiner Schwachpunkte ist meine chronisch verstopfte Nase.«
    »Wollen wir nicht ans Meer gehen?«
    Hoshino überlegte. Ein Strandspaziergang konnte nichts schaden.
    »In Ordnung, gehen wir«, sagte er.
    »Vorher möchte Nakata noch aufs Klo, geht das?«
    »Wir haben es doch nicht eilig, nimm dir so viel Zeit, wie du willst.«
    Während Nakata auf der Toilette war, sah sich Hoshino in der Wohnung um. Wie Colonel Sanders gesagt hatte, war sie mit allem, was man zum Leben brauchte, komplett ausgestattet. Im Bad war von Rasiercreme, neuen Zahnbürsten, Wattestäbchen, Pflaster bis zum Nagelknipser alles vorhanden. Es gab sogar ein Bügeleisen und ein Bügelbrett.
    »Natürlich hat diese ganzen Kleinigkeiten seine Sekretärin besorgt, aber trotzdem ist das unheimlich fürsorglich. Es fehlt nichts«, sagte er zu sich.
    Sogar Unterwäsche und Kleidung lagen im Schrank bereit. Kein Hawaiihemd, dafür karierte Hemden mit Reverskragen und Poloshirts. Alles ganz neue Sachen von Tommy Hilfiger. »Colonel Sanders ist zwar schlau, aber so schlau nun auch wieder nicht«, murrte Hoshino vor sich hin. »Dass ich auf Hawaiihemden stehe, sieht man doch auf den ersten Blick. Hawaiihemden kann man sogar im Winter tragen. Wenn er sich schon solche Mühe gibt, hätte er wenigstens ein Hawaiihemd bereitstellen können.«
    Aber sein Hawaiihemd war inzwischen wirklich durchgeschwitzt, und so zog er resigniert ein Polohemd über den Kopf. Es passte ihm wie angegossen.
    Auf dem Weg zum Meer gingen sie durch das Kiefernwäldchen und überquerten einen Damm, bis sie an der ruhigen Inlandsee an einen Strand gelangten. Sie setzten sich nebeneinander in den Sand und sahen lange schweigend auf die Wasserfläche, die sich hob und senkte wie ein Laken, und auf die kleinen Wellen, die sich mit leisem Plätschern brachen. Vor der Küste waren ein paar kleine Inseln zu erkennen. Da der Anblick des Meeres ungewohnt für beide war, konnten sie sich gar nicht daran satt sehen.
    »Herr Hoshino?«, sagte Nakata.
    »Was denn?«
    »Das Meer ist schön.«
    »Finde ich auch. Wenn man es ansieht, wird einem ganz friedlich zumute.«
    »Warum das wohl so ist?«
    »Vielleicht weil es so weit und leer ist«, sagte der junge Mann und wies mit der Hand über die weite Fläche des Meeres. »Wenn es hier einen Seven Eleven, dort einen Seiyu-Markt, da drüben eine Pachinko-Halle und da vorn eine Plakatwand mit Werbung für das Yoshikawa-Pfandbüro gäbe, kämen bestimmt keine friedlichen Gefühle auf. Es tut gut, nichts zu sehen, soweit das Auge reicht.«
    »Ja. Kann sein.« Nakata dachte ein Weilchen nach. »Herr Hoshino?«
    »Was denn?«
    »Nakata hat eine Frage.«
    »Schieß los.«
    »Was ist denn eigentlich auf dem Meeresgrund?«
    »Der Meeresgrund ist eine eigene Welt. Dort leben Fische, Muscheln, Meerespflanzen und so was. Warst du noch nie in einem Aquarium?«
    »Nein, Nakata war noch nie in seinem Leben im Aquarium. In Matsumoto, wo er die ganze Zeit gewohnt hat, gab es kein Aquarium.«
    »Ach so, ja, Matsumoto liegt im Gebirge. Da gibt es höchstens ein Pilzmuseum oder so was«, sagte der junge Mann. »Jedenfalls gibt es im Meer die verschiedensten Lebewesen. Die meisten atmen, indem sie ihren Sauerstoff aus dem Wasser ziehen. Deshalb können sie ohne Luft leben.

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