Kafka am Strand
Manchmal prasselt feiner Regen gegen die Windschutzscheibe.
»Kommen Sie öfter hierher?«, frage ich.
»Früher, ja. Jetzt, wo ich arbeite, geht es nicht mehr so oft. Mein älterer Bruder ist Surfer und wohnt in Kochi an der Küste. Er hat dort einen Laden für Surfer-Zubehör und fertigt Surfbretter an. Ab und zu übernachtet er hier. Kannst du surfen?«
»Ich hab’s noch nie probiert«, sage ich.
»Vielleicht kann mein Bruder es dir bei Gelegenheit beibringen. Er ist ziemlich gut«, sagt Oshima. »Das sieht man sofort, wenn man ihm begegnet. Er ist ganz anders als ich – groß, wortkarg, unliebenswürdig, gebräunt. Er trinkt gern Bier und kann Schubert nicht von Wagner unterscheiden. Trotzdem verstehen wir uns sehr gut.«
Wir fahren weiter die Bergpiste hinauf und durchqueren tiefe Wälder, bis wir endlich am Ziel sind. Oshima hält an, steigt bei laufendem Motor aus, öffnet den Riegel an einem Gittertor und stemmt es auf. Nachdem er wieder eingestiegen ist, fahren wir noch kurz einen gewundenen, schlechten Weg hinauf. Dann erreichen wir ein offenes Gelände, und der Weg endet. Oshima parkt, stößt einen langen Seufzer aus, streicht sich mit beiden Händen die Haare nach hinten und schaltet mit einer Drehung des Zündschlüssels den Motor ab. Er zieht die Handbremse an.
Als der Motor verstummt, entsteht eine drückende Stille. Nur der Kühlerventilator dreht sich, und der überhitzte Motor knackt in der kühlen Luft. Von der Kühlerhaube steigt leichter Dunst auf. Ganz aus der Nähe dringt das leise Plätschern eines Baches an mein Ohr. Hoch über unseren Köpfen erhebt sich hin und wieder das geheimnisvolle Rauschen des Windes. Ich öffne die Tür und steige aus. Kühle umfängt mich. Ich zippe meine Windjacke, die ich über dem T-Shirt trage, bis zum Hals zu.
Vor mir erkenne ich eine kleine Behausung, eine Art Berghütte, aber im Dunkeln kann ich keine Einzelheiten ausmachen. Sie hebt sich nur als schwarzer Umriss vor dem Hintergrund des Waldes ab. Oshima lässt die Scheinwerfer an und geht langsam mit einer kleinen Taschenlampe in der Hand darauf zu, steigt die Stufen zur Veranda hinauf, zieht einen Schlüssel aus der Tasche und öffnet die Tür. In der Hütte reißt er ein Streichholz an und entzündet eine Lampe. Er tritt auf die Veranda und hält die Lampe hoch. »Willkommen in meinem Heim«, ruft er mir zu. Sein Anblick erinnert mich an die Illustration zu einem alten Märchen.
Ich steige die Stufen hinauf und betrete das Haus. Oshima zündet noch eine große Lampe an, die von der Decke hängt. Das Haus ist wie ein Kasten gebaut und besteht nur aus einem großen Zimmer. In einer Ecke steht ein kleines Bett. Außerdem gibt es einen Esstisch, zwei Holzstühle und ein altmodisches Sofa. Der Teppich ist schicksalsschwer verblichen. Es sieht aus, als habe man einfach die ausrangierten Möbel mehrerer Haushalte zusammengewürfelt. Das Bücherregal besteht aus Betonblöcken, auf die man dicke Bretter gelegt hat. Es ist voller Bücher, die wohl schon oft gelesen worden sind, denn die Buchrücken wirken alt und brüchig. Zur Aufbewahrung von Kleidung dient eine alte Kommode. Es gibt auch eine einfache Küche mit einer Arbeitsplatte, einem kleinen Gaskocher und einem Waschbecken ohne Wasserhahn. Stattdessen steht ein Wassereimer aus Aluminium bereit. Auf einem Regal stehen Töpfe und ein Kessel; eine Bratpfanne hängt an der Wand. In der Mitte des Raumes steht ein schwarzer gusseiserner Ofen.
»Ursprünglich gab es hier nur eine einfache Bretterbude. Mein Bruder hat die Hütte fast ganz allein gebaut. Er ist handwerklich sehr begabt. Ich war noch klein, aber ein bisschen habe ich auch mitgeholfen und Dinge erledigt, bei denen ich mich nicht verletzen konnte. Ich will nicht übertreiben, aber es ist ganz schön primitiv. Es gibt, wie gesagt, keinen Strom, kein fließendes Wasser und keine Toilette. Der einzige moderne Komfort ist das Propangas.«
Nachdem Oshima den Kessel kurz mit Mineralwasser ausgespült hat, setzt er Wasser auf.
»Der Berg hat früher unserem Großvater gehört. Er war ein reicher Mann aus Kochi und besaß viele Ländereien und ein großes Vermögen. Als er vor rund zehn Jahren starb, hat er meinem Bruder und mir diesen Bergwald hinterlassen. Praktisch den ganzen Berg. Keiner von den anderen Verwandten wollte ihn, weil er so abgelegen und fast nichts wert ist. Um den Wald zu nutzen, müsste man eine Menge Arbeitskräfte einstellen, und das würde viel zu viel kosten.«
Ich ziehe
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