Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
Vom Netzwerk:
verschwundene gefleckte Katze auftauchte oder der Mann mit der seltsamen Mütze. Freilich ohne Erfolg.
    Wenn es dunkel wurde, ging er stets zu seinen Auftraggebern, um Bericht über den Verlauf der Suche am jeweiligen Tag zu erstatten: welche neuen Anhaltspunkte sich ergeben hatten, wo er gewesen war und was er dort gemacht hatte. In der Regel erhielt er dann von seinen Auftraggebern ein Honorar von 3000 Yen. Dieser Tagessatz war von niemandem festgelegt worden, aber seit sich Nakatas Ruf als »Katzensuchexperte« durch Mundpropaganda in der ganzen Gegend verbreitet hatte, hatte dieser Betrag sich automatisch durchgesetzt. Oft erhielt er nicht nur das Geld, sondern auch Naturalien wie Lebensmittel oder Kleidung. Spürte Nakata eine Katze tatsächlich wieder auf, erhielt er eine Erfolgsprämie von 10000 Yen.
    Da er nicht immer Katzensuchaufträge hatte, besaß er kein geregeltes monatliches Einkommen, aber der ältere seiner jüngeren Brüder, der auch die Hinterlassenschaft der Eltern (keine besonders große Summe) für Nakata verwaltete, übernahm die Zahlung seiner Umlagen, und von der Stadt erhielt er eine Alters- und Behindertenrente. Diese Unterstützung ermöglichte ihm ein einigermaßen sorgenfreies Leben. Das Geld, das er mit der Katzensuche verdiente, konnte er nach seinem Gutdünken ausgeben. Für Nakata war es ziemlich viel (und eigentlich fiel ihm dafür kein anderer Verwendungszweck ein, als hin und wieder Aal zu essen). Was übrig blieb, versteckte er unter den Tatami. Als Analphabet ging er nie auf eine Bank oder Post, wo er zumindest ein Formular mit seinem Namen und seiner Adresse hätte ausfüllen müssen.
    Dass er die Katzensprache konnte, war Nakatas Geheimnis. Er wusste, dass er – außer den Katzen – der Einzige war, der das konnte. Hätte er anderen Menschen davon erzählt, hätte man ihn für verrückt erklärt. Es war zwar eine bekannte Tatsache, dass er dumm war, aber Dummsein und Verrücktsein sind ja zwei verschiedene Dinge.
    Es kam vor, dass jemand vorbeiging, wenn er sich am Straßenrand gerade angeregt mit einer Katze unterhielt, aber das wurde von niemandem sonderlich beachtet. Es ist schließlich nicht ungewöhnlich, dass ältere Leute sich mit Tieren unterhalten wie mit Menschen. Gelegentlich machte ihm jemand ein Kompliment für seine Kenntnis der Gewohnheiten und Verhaltensweisen von Katzen: »Es ist ja fast, als könnten Sie mit ihnen sprechen.« Dann lächelte er nur und schwieg. Da Nakata sehr zuverlässig und höflich war und zudem immer lächelte, stand er bei den Hausfrauen der Nachbarschaft in gutem Ansehen. Seine adrette Erscheinung war ein weiterer Grund für diese Wertschätzung. Abgesehen davon, dass Nakata überaus gerne badete und wusch, schenkten ihm seine Auftraggeber auch häufig abgelegte, aber noch sehr gute Kleidung. Man konnte zwar nicht gerade sagen, dass Nakata der lachsrosa Golfanzug der Marke Jack Nicklaus besonders gut stand, aber das kümmerte ihn sehr wenig.
     
    Stockend erstattete Nakata seiner Auftraggeberin Frau Koizumi in deren Flur genauen Bericht.
    »Endlich hat Nakata eine Spur von Goma. Ein gewisser Kawamura soll vor einigen Tagen eine gefleckte Katze, die wie Goma aussah, auf dem unbebauten großen Grundstück mit dem Zaun, das nur zwei Straßen von hier entfernt liegt, gesehen haben. Alter, Farbe und Halsband stimmen mit denen von Goma überein. Nakata beobachtet das Grundstück. Er hat Proviant dabei und sitzt von morgens bis abends dort. Nein, machen Sie sich bitte keine Gedanken. Nakata hat viel freie Zeit, und wenn es nicht stark regnet, ist das kein Problem. Aber wenn Sie keine weitere Beobachtung wünschen, sagen Sie es bitte. Dann hört Nakata sofort auf.«
    Dass Kawamura kein Mensch, sondern ein braun gestreifter Kater war, verschwieg er tunlichst. Das hätte die Sache zu sehr kompliziert.
    Frau Koizumi bedankte sich. Ihre beiden kleinen Töchter waren so furchtbar traurig, seit ihr geflecktes Kätzchen plötzlich verschwunden war, dass sie kaum noch etwas essen wollten. Sie brachte es einfach nicht übers Herz, ihnen zu sagen, dass Katzen eben ab und zu plötzlich verschwinden. Andererseits fehlte ihr die Zeit, selbst herumzulaufen und nach der Katze zu suchen. Daher war sie froh und dankbar, dass sie jemanden gefunden hatte, der für 3000 Yen pro Tag rund um die Uhr nach der Katze suchte. Der alte Mann hatte zwar eine sonderbare Art zu sprechen, stand aber als »Katzendetektiv« in hohem Ansehen. Außerdem sah er nicht wie ein

Weitere Kostenlose Bücher