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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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noch beim Zähneputzen. Das Ehepaar Koizumi, das sich bei einer Tasse braunem Tee gerade die Nachrichten ansah, begrüßte Nakata, der ihre Katze zurückbrachte, mit großer Herzlichkeit. Die Kinder, schon im Schlafanzug, wetteiferten darum, die Katze auf den Arm zu nehmen. Schnell wurde Milch und Katzenfutter geholt, und Goma schmauste herzhaft.
    »Entschuldigen Sie, dass Nakata so spät noch stört, aber es ging nicht früher.«
    »Das macht doch wirklich nichts, keine Sorge«, sagte Frau Koizumi.
    »Die Zeit spielt überhaupt keine Rolle. Die Katze gehört zu unserer Familie. Wir sind so froh, dass Sie sie gefunden haben. Kommen Sie doch rein und trinken Sie eine Tasse Tee mit uns«, sagte ihr Mann.
    »Nein, nein, Nakata muss gleich wieder los. Er wollte Ihnen nur rasch Goma vorbeibringen.«
    Frau Koizumi ging hinein, um den Umschlag mit Nakatas Honorar zu holen, und ihr Mann überreichte ihn. »Ganz herzlichen Dank, dass Sie Goma gefunden haben. Bitte sehr.«
    »Danke bestens. Nakata ist so frei.« Nakata nahm den Umschlag entgegen und nickte.
    »Sie haben trotz der Dunkelheit gut hergefunden, nicht wahr?«
    »Jawohl, das ist eine lange Geschichte. Zu lang zum Erzählen für Nakata. Er ist ja nicht so klug, und nicht gut im Erklären.«
    »Ist schon in Ordnung. Ich weiß gar nicht, wie ich Ihnen danken soll«, sagte Frau Koizumi. »Hätten Sie gern von den gebratenen Auberginen und den eingelegten Gurken, die vom Abendessen übrig sind?«
    »O ja! Gebratene Auberginen und eingelegte Gurken sind eine Lieblingsspeise von Nakata.«
    Mit einem Tupperware-Behälter voll gebratener Auberginen und eingelegter Gurken sowie seinem Geldumschlag verabschiedete Nakata sich von den Koizumis. Rasch lief er in Richtung Bahnstation und ging zum Wachhäuschen in der Nähe der Einkaufsstraße. Dort saß ein junger Polizist allein am Schreibtisch und schrieb an irgendeinem Dokument. Seine Mütze lag auf dem Schreibtisch.
    Nakata öffnete die gläserne Schiebetür und trat ein. »Guten Abend«, sagte er.
    »Guten Abend«, antwortete der Polizist. Er sah von seinen Papieren auf und musterte Nakata. Er sah einen harmlosen, braven, älteren Mann. Wahrscheinlich will er nach dem Weg fragen, vermutete der junge Beamte.
    Noch in der Tür nahm Nakata seine Mütze ab und steckte sie in die Hosentasche. Dann zog er aus der anderen Hosentasche ein Taschentuch und schnäuzte sich. Anschließend faltete er es wieder zusammen und steckte es wieder ein.
    »Kann ich Ihnen helfen?«, fragte der Polizist.
    »Ja. Nakata« – er zeigte auf sich – »hat gerade jemanden umgebracht.«
    Dem Polizisten fiel der Stift aus der Hand auf den Schreibtisch, und er starrte Nakata mit offenem Mund an. Ihm fehlten einen Moment lang die Worte.
    »Äh, einen Augenblick … setzten Sie sich mal dorthin«, sagte er halb ungläubig und zeigte auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Dann griff er sich an den Gürtel, um sich zu vergewissern, dass Pistole, Gummiknüppel und Handschellen an ihrem Platz waren.
    »Jawohl«, sagte Nakata und setzte sich. Mit geradem Rücken und den Händen auf den Knien sah er dem Polizisten ins Gesicht.
    »Also, Sie … haben jemanden umgebracht?«
    »Ja, mit dem Messer erstochen. Gerade eben«, sagte Nakata entschlossen.
    Der Polizist zog ein Formular hervor, warf einen Blick auf die Wanduhr, trug mit seinem Kugelschreiber die aktuelle Uhrzeit und ›Mord durch Erstechen‹ ein.
    »Zuerst Namen und Adresse.«
    »Jawohl. Toru Nakata der Name, wohnhaft in …«
    »Moment mal, wie schreibt man Nakata?«
    »Nakata weiß nicht. Entschuldigung, aber er kann nicht schreiben. Lesen auch nicht.«
    Der Polizist runzelte die Stirn.
    »Sie können weder lesen noch schreiben? Nicht einmal Ihren Namen?«
    »Nakata konnte schreiben, bis er neun war, dann hatte er einen Unfall. Seitdem nicht mehr. Er ist schwach im Kopf.«
    Seufzend legte der Polizist den Stift aus der Hand. »Ich kann kein Protokoll aufnehmen, wenn Sie nicht wissen, wie man Ihren Namen schreibt.«
    »Entschuldigen Sie bitte.«
    »Haben Sie Verwandte? Eine Familie?«
    »Nakata ist allein. Keine Familie. Keine Arbeit. Er lebt von der Unterstützung vom Herrn Gouverneur.«
    »Es ist schon spät. Sie sollten langsam nach Hause gehen und sich richtig ausschlafen. Wenn Sie morgen noch etwas wissen, kommen Sie wieder her. Dann höre ich mir Ihre Geschichte mal an.«
    Der Schichtwechsel rückte näher, und der Polizist wollte vorher noch aufräumen. Er war nach der Arbeit noch mit Kollegen in

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