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Kafka am Strand

Kafka am Strand

Titel: Kafka am Strand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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ein.«
    »Eingelegte Makrelen mag Nakata auch«, sagte Nakata mit ernster Miene. »Aber morgen um die Zeit ist er wahrscheinlich nicht mehr hier.«
    Als am nächsten Tag in diesem Teil von Nakano wirklich Sardinen und Makrelen vom Himmel fielen, wurde der junge Polizist kreidebleich. Ohne jede Vorwarnung platzten etwa zweitausend Fische aus den Wolken. Die meisten zerbarsten, als sie auf den Boden aufschlugen, aber einige lebten noch und zappelten und glitschten auf dem Asphalt der Einkaufsstraße umher. Die Fische schienen ganz frisch zu sein und rochen noch nach Salzwasser. Es platschte zwar, wenn sie auf Menschen, Autos und Dächer trafen, aber anscheinend kamen sie nicht von sehr hoch oben, und verletzt wurde glücklicherweise auch niemand. Stattdessen erlitten einige Personen einen psychischen Schock. Es hagelte regelrecht Fische. Eine fast apokalyptische Szene.
    Im Nachhinein wurde eine polizeiliche Untersuchung eingeleitet, aber woher und wie die Fische vom Himmel geworfen worden waren, konnte nicht geklärt werden. Weder vom Fischmarkt noch von einem Fischkutter war ein größeres Kontingent von Sardinen und Makrelen verschwunden. Auch hatten zu dem Zeitpunkt weder Flugzeuge noch Hubschrauber den Stadtteil überflogen. Es gab keine Meldung über einen Tornado, und man hielt es auch nicht für einen Bubenstreich. Dafür war die Sache zu aufwendig. Auf Anordnung der Polizei sammelte das Gesundheitsamt von Nakano die Fische ein und untersuchte sie, aber es wurde nichts Außergewöhnliches festgestellt. Allem Anschein nach waren es ganz gewöhnliche Sardinen und Makrelen, frisch und appetitlich. Dennoch entsandte die Polizei einen Lautsprecherwagen und warnte vor dem Verzehr der vom Himmel gefallenen Fische, denn ihre Herkunft sei unbekannt, und es bestehe die Möglichkeit, dass sie etwas Gefährliches enthielten.
    Auch Sendewagen vom Fernsehen drängelten sich in der Einkaufsstraße. Es war ja nun wirklich ein telegenes Ereignis. Reporter schwärmten aus und unterrichteten das ganze Land über den rätselhaften Vorfall. Sie zeigten, wie die Fische mit Schaufeln von der Straße geschippt wurden, und übertrugen die Kommentare von Hausfrauen, denen Sardinen und Makrelen auf den Kopf gefallen waren. Eine hatte von der Rückenflosse einer Makrele einen Schnitt in der Wange davongetragen. »Zum Glück waren es wenigstens nur Sardinen und Makrelen. Thunfisch wäre viel schlimmer gewesen«, sagte sie, während sie sich ihr Taschentuch gegen die Wange presste. Eine schlagfertige Bemerkung, die die Fernsehzuschauer zum Lachen brachte. Einer der Reporter bewies seine Tapferkeit, indem er die vom Himmel gefallenen Sardinen und Makrelen an Ort und Stelle briet und vor der Kamera verzehrte. »Köstlich«, sagte er begeistert. »Frisch und nahrhaft. Schade, dass ich keinen geriebenen Rettich und Reis dazu habe.«
    Der junge Polizist war ziemlich ratlos. Der merkwürdige alte Mann – an seinen Namen konnte er sich nicht erinnern – hatte prophezeit, dass es am nächsten Abend massenhaft Fische regnen würde. Sardinen und Makrelen, genau wie er gesagt hatte … Aber er hatte den Alten ausgelacht und sich weder seinen Namen noch seine Anschrift notiert. Ob er die Sache nicht doch nach oben weiterleiten sollte? Vielleicht. Aber was hätte er davon, wenn er jetzt noch damit herauskäme? Niemand war schwerer verletzt worden, und bislang wies nichts auf ein Verbrechen hin. Es waren nur Fische vom Himmel gefallen.
    Würden ihm seine Vorgesetzten eine so haarsträubende Geschichte wie die, dass ein alter Mann in sein Wachhäuschen gekommen war und vorausgesagt hatte, dass es Fische vom Himmel regnen würde, überhaupt glauben? Würden sie ihn nicht für verrückt halten oder die Sache für einen albernen Scherz unter Kollegen?
    Außerdem war der Alte ins Wachhäuschen gekommen, um zu melden, dass er jemanden ermordet hatte – im Grunde, um sich zu stellen. Und er, der Polizist, hatte die Anzeige nicht aufgenommen, ja nicht einmal im Wachbuch vermerkt. Eindeutig ein Verstoß gegen die Dienstvorschrift, für den er bestraft werden konnte. Die Geschichte des Alten war aber auch vollkommen idiotisch gewesen. Kein Polizist im Dienst hätte sie ernst genommen. Der Dienst im Wachhäuschen hielt einen mit der täglichen Routine schon genug auf Trab, und die Schreibarbeit türmte sich nur so. Es wimmelte auf der Welt von Leuten, die eine Schraube locker hatten, und Typen wie dieser Alte standen Schlange vor dem Revier, als hätten sie sich

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