Kafka am Strand
abgesprochen. Man konnte nicht jeden ernst nehmen.
Aber da die Voraussage, dass es Fische regnen würde (an sich schon verrückt genug), sich bewahrheitet hatte, war die abwegige Geschichte, dass der Alte jemanden – diesen Johnnie Walker, wie er ihn genannt hatte – mit dem Messer erstochen hatte, vielleicht gar nicht erfunden. Wenn sie stimmte, saß er, der Polizist, in der Patsche, denn immerhin hatte er, ohne davon Meldung zu machen, eine Person weggeschickt, die einen Mord gestanden hatte.
Bald kam ein Wagen von der Müllabfuhr, um die auf der Straße herumliegenden Fische zu beseitigen. Der junge Polizist räumte in seinem Wachhäuschen auf. Die Zufahrt zur Einkaufsstraße wurde gesperrt, damit keine Autos hineinfuhren. Die Schuppen der Sardinen und Makrelen klebten auf der Straße und ließen sich auch nach mehreren Güssen mit Wasserschläuchen nicht wegspritzen. Nach einer Weile war das Pflaster so glitschig, dass die Reifen von Fahrrädern ins Rutschen gerieten und mehrere Hausfrauen stürzten. Der Fischgeruch wollte einfach nicht weichen. Die Katzen in der Nachbarschaft waren eine Nacht lang in hellster Aufregung. Der Polizist war so in Anspruch genommen, dass er gar keine Zeit mehr hatte, über den rätselhaften alten Mann nachzudenken.
Doch als am Tag, nachdem es die Fische geregnet hatte, im Viertel die Leiche eines erstochenen Mannes gefunden wurde, verschlug es ihm den Atem. Der Getötete war ein bekannter Bildhauer, entdeckt hatte ihn seine Haushaltshilfe, die jeden zweiten Tag kam. Das Opfer lag völlig unbekleidet in einer Blutlache auf dem Boden. Der Tod war zwei Tage zuvor eingetreten, und die Mordwaffe war ein Steakmesser aus der Küche. »Der Alte hat die Wahrheit gesagt«, dachte der Polizist. »Eine verdammt dumme Sache. Ich hätte mich mit dem Präsidium in Verbindung setzen und den Alten mit dem Streifenwagen abholen lassen sollen. Dann hätte ich es denen überlassen können zu beurteilen, ob er verrückt ist oder nicht. Und sie die Verantwortung tragen lassen. Aber das habe ich nicht getan. Jetzt bleibt mir nichts anderes übrig, als den Mund zu halten«, dachte er.
Zu diesem Zeitpunkt hatte Nakata die Stadt bereits verlassen.
19
Es ist Montag, und die Bibliothek hat geschlossen. Es ist dort immer ruhig, aber am Ruhetag ist es äußerst still. Die Bibliothek wirkt wie ein von der Zeit vergessener Ort. Oder wie einer, der so leise atmet, dass die Zeit ihn übersehen hat.
Am Ende des Korridors vor dem Lesesaal ( ›Zutritt für Unbefugte verboten‹ steht auf einem Zettel) befindet sich eine Kochnische für die Angestellten mit einem Herd, in der man Getränke zubereiten und etwas heiß machen kann. Danach kommt die Tür zum Gästezimmer, zu dem ein Schrank und ein einfaches Bad gehören. Außerdem gibt es ein Einzelbett, ein Nachtschränkchen mit Leselampe und Wecker sowie einen Schreibtisch mit Lampe. Eine altmodische Couchgarnitur mit weißen Schonbezügen, eine Wäschekommode, in die man gefaltete Kleidungsstücke legen kann, ein kleiner Kühlschrank für eine Person und ein Schränkchen für Geschirr und Lebensmittel stehen auch darin. Für das Zubereiten von einfachen Speisen kann man die Kochnische vor der Tür benutzen. Im Bad liegen Seife, Shampoo, ein Föhn und Handtücher bereit. Das Zimmer ist mit allem ausgestattet, was man für einen bequemen, nicht allzu langen Aufenthalt braucht. Durch das nach Westen weisende Fenster blickt man auf die Bäume im Garten. Gegen Abend flimmert die sinkende Sonne durch die Zweige der Zedern.
»Ich übernachte manchmal hier, wenn ich keine Lust habe, nach Hause zu fahren, aber sonst wird das Zimmer von niemandem benutzt«, sagt Oshima. »Auch nicht von Saeki-san, soweit ich weiß. Also stört es auch niemanden, wenn du hier wohnst.«
Ich stelle meinen Rucksack auf den Boden und sehe mich im Zimmer um.
»Bettwäsche ist da, und im Kühlschrank findest du, was du fürs Erste brauchst. Milch, Obst, Gemüse, Butter, Schinken, Käse … aufwendige Gerichte kann man nicht kochen, aber du kannst dir Gemüse schneiden und Sandwiches und Salat machen. Wenn du ein richtiges Essen willst, kannst du dir etwas kommen lassen oder ins Restaurant gehen. Wäschewaschen kannst du im Bad. Habe ich etwas vergessen?«
»Wo hat Frau Saeki denn normalerweise ihren Arbeitsplatz?«
Oshima deutet mit dem Finger nach oben. »Du hast doch bei der Führung das Arbeitszimmer im ersten Stock gesehen. Dort erledigt sie Schreibarbeiten. Wenn ich nicht am Platz
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