Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kafka: Die Jahre der Erkenntnis (German Edition)

Kafka: Die Jahre der Erkenntnis (German Edition)

Titel: Kafka: Die Jahre der Erkenntnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reiner Stach
Vom Netzwerk:
wollte: Das Preisgeld stammte aus einem Fonds, den der Mäzen Erik Schwabach gestiftet hatte, Wolffs wichtigster Kapitalgeber; Sternheim und Kafka waren Autoren Wolffs, und der Kritiker Franz Blei wiederum, der den renommierten Preis im Auftrag des ›Schutzverbands deutscher Schriftsteller‹ zu vergeben hatte, gehörte zum nächsten Umfeld des Verlags, war noch im vergangenen Jahr selbst Herausgeber der Weißen Blätter gewesen und galt schließlich als Sternheims ›Entdecker‹ – so sah das Ganze eher nach einer Marketing-Aktion aus, die sich Meyer womöglich selbst ausgedacht hatte. Dass ihm Derartiges zuzutrauen war, hatte auch Kafka schon vernommen; während Meyer offenbar nicht wusste, mit wem er es zu tun hatte:
»Sie hätten dann also für die ›Verwandlung‹ zu erwarten: 1) das Honorar der Weißen Blätter (ich weiß nicht, ob und was Schickele mit Ihnen darüber ausgemacht hat), 2) das Honorar für den ›Jüngsten Tag‹, das für eine kleine Auflage einmalig 350 Mk. betragen mag – der Höchstsatz, der für den ›Jüngsten Tag‹ je gezahlt ist, und sodann 800 Mk. als Betrag des Fontanepreises. Sie sind also der reine Hans im Glück!« [32]  
    Dies war nun leider eine Frequenz, auf der Kafka vollständig taub war. Meyers Versicherung, dass nicht er, sondern Schickele sowie der gegenwärtige Lauf der Welt schuld daran seien, dass Kafka keinen Korrekturbogen der VERWANDLUNG je zu Gesicht bekommen hatte, konnten ja keineswegs darüber hinwegtäuschen, dass es sich eigentlich um eine Überrumpelung und um eine augenfällige Missachtung von Autorenrechten handelte. Und auch weiterhin hatte Meyer keineswegs vor, sich von einem Autor, den man zu seinem Glück zwingen {53} musste, in seinem Tatendrang behindern zu lassen. Denn während die Anfrage an Kafka noch unterwegs war, hatte er die Buchausgabe der VERWANDLUNG bereits in Auftrag gegeben, und wenige Tage später – der Autor war noch gar nicht zur Besinnung gekommen – lagen die Fahnen vor. Immerhin hatte Kafka diesmal Gelegenheit, noch zahlreiche kleine Verbesserungen am Text vorzunehmen, und das war ihm weitaus wichtiger als die Höhe des Honorars. Doch die Verabredung mit Wolff, dass sein nächstes Buch mehrere Erzählungen vereinigen sollte, war durch Meyers eigenmächtiges Handeln natürlich hinfällig.
    Nach kurzem Bedenken – und vermutlich nach Rücksprache mit Brod – war Kafka bereit, sich mit der neuen Situation abzufinden. Er selbst hatte ja mehrfach versichert, an einer Veröffentlichung der VERWANDLUNG, wann und wo auch immer, sei ihm »besonders gelegen«. [33]   Volle drei Jahre nach der Niederschrift der Erzählung war dieser Wunsch endlich in Erfüllung gegangen, und eine Weigerung hätte nun gewiss niemand verstanden. Zwar konnte sich Kafka einige ironische Spitzen gegen Meyer nicht versagen, doch machte er auch Vorschläge zur Gestaltung des Buchs und äußerte sich sogar mit ungewöhnlicher Bestimmtheit zum Einband, auf dem er keinesfalls den unglücklichen Gregor Samsa zu erblicken wünschte: »Das nicht, bitte das nicht! … Das Insekt selbst kann nicht gezeichnet werden. Es kann aber nicht einmal von der Ferne aus gezeigt werden.« [34]   Zum Glück blieb diese Botschaft nicht zwischen Meyers gewaltigen Papierstapeln hängen, sondern wurde an den zuständigen Illustrator (Ottomar Starke, ein enger Freund Sternheims) weitergereicht, und der hielt sich daran.
    Was aber hatte es mit der merkwürdigen Aufteilung des FontanePreises auf sich? Die Ehre für den berühmten Carl Sternheim, das Geld für den unbekannten Prager Dichter? Das war ein Punkt, über den Kafka nicht so leicht zu beruhigen war.
»Nach Ihrem Schreiben, vor allem auch nach dem Schreiben an Max Brod scheint die Sache so zu stehn, dass Sternheim den Preis bekommt, dass er aber den Geldbetrag jemandem, möglicherweise mir, schenken will. So liebenswürdig das nun natürlich ist, wird doch dadurch die Frage nach der Bedürftigkeit gestellt, aber nicht nach der Bedürftigkeit hinsichtlich beider, des Preises und des Geldes, sondern nach der Bedürftigkeit hinsichtlich des Geldes allein. Und es käme dann meinem Gefühl nach auch gar nicht darauf {54} an, ob der Betreffende später einmal vielleicht, das Geld benötigen wird, entscheidend dürfte vielmehr nur sein, ob er es augenblicklich nötig hat. So wichtig natürlich auch der Preis oder ein Anteil am Preis für mich wäre – das Geld allein ohne jeden Anteil am Preis dürfte ich wohl gar nicht annehmen,

Weitere Kostenlose Bücher