Kahlschlag (German Edition)
es gerät immer mehr außer Kontrolle. Mir ist lieber, der Nigger geht drauf als ich. Wenn es so weit kommt, halte ich denen den Strick.«
»Sie sind ein vereidigter Gesetzeshüter. Sie tun, was Ihre Aufgabe ist.«
»Wie kommen Sie dazu, so mit mir zu reden? Sie sind nur ein Constable. Verdammt, Sie sind nur eine Frau. Mit einem Rock, den man aus einer Männerhose genäht hat.«
»Ich sag’s jetzt mal so, dass du’s verstehst, Morgan«, mischte sich Clyde ein. »Wenn du sie noch einmal blöd anredest, knall ich dir eine, dass die Schlammspritzer an deinem Wagen davonfliegen. Ist das klar?«
In Morgans Gesicht zuckte ein Muskel. »Das hätte es jetzt wirklich nicht gebraucht. Du und ich haben schließlich schon zusammengearbeitet. Solche Sprüche sind echt überflüssig. Ich wusste einfach nur nicht, dass sie eine Frau ist.«
»Wie treffen uns in Holiday«, sagte Sunset.
Clydes Haus lag an der Strecke nach Holiday, an einem ausgewaschenen, baumbestandenen schmalen Weg mit Schlaglöchern, die so tief waren, dass darin ein Futteranhänger verloren gehen konnte. Sie hielten kurz an, um Hillbillys Schrotflinte und Clydes Pistole zu holen. Erst dachte Sunset, Clydes verwitterte Hütte wäre von dem Tornado so zugerichtet worden, aber als sie genauer hinsah, wurde ihr klar, dass das ein Dauerzustand war.
Die Dachziegel waren hochgeweht worden, und einige davon lagen auf dem Hof herum. So wie sie aussahen – halb begraben in der Erde –, waren sie offensichtlich schon vor langer Zeit heruntergefallen. Der Kamin war mit einem Brett abgestützt, und zwischen Kamin und Haus klaffte ein Spalt. Soweit sie das erkennen konnte, war drinnen alles dreckig und klebrig und durcheinandergeworfen. In den meisten Fenstern war kein Glas, sondern Pappe. Der Hof war übersät mit Holzstücken, Autoteilen und aufmüpfigen Hühnern. Ein Hahn stürzte auf sie zu, schlug mit den Flügeln und pickte nach einem von Sunsets Stiefeln. Sobald das erledigt war, verzog er sich wieder.
»Wenn das mein Hahn wäre, würde er noch heute Abend im Kochtopf landen«, sagte Sunset.
»Das ist George«, entgegnete Clyde. »Der ist ganz in Ordnung. Er meint, er muss die Hennen verteidigen.«
Sie bahnten sich einen Weg durch den Müll, der im Hof herumlag, scheuchten die Hühner zur Seite, bewegten sich vorsichtig über einen schmalen Pfad durch einen Garten mit von Insekten zerfressenem Gemüse und umgingen die Löcher im quietschenden Verandaboden, wo das Holz durchgebrochen war. Überall im Haus lagen Zeitschriften, Zeitungen und Autoteile, zerbrochene Teller, Kartons und Apfelkisten mit undefinierbarem Inhalt. Auf dem Boden und auf einigen Schachteln und Kisten standen Eimer, in die von der Decke Wasser tropfte.
Clyde stapfte durch die Unordnung hindurch in ein anderes Zimmer, um die Waffen zu holen.
Hillbilly sah Sunset an und sagte: »Das gemütliche Heim.«
»Wüsste nicht, was daran gemütlich ist.«
»Da drüben beim Ofen hat er mal Sirup verschüttet. Muss so – na, ich nehm mal an zehn Jahre her sein, so wie das Zeug aussieht. Aber es zieht immer noch die Fliegen an, und die bleiben dran kleben. Willst du mal sehen?«
»Nein, danke.«
Clyde kehrte mit einer Schrotflinte und einem Revolver zurück, die beide deutlich sauberer aussahen als alles andere im Haus.
»Gibt es auch irgendwas, das du nicht aufbewahrst?«, fragte Sunset.
»Geld«, entgegnete Clyde. »Ich hab Hunger. Wenn ich noch Zeit hätte, würde ich mir ein Brot machen und mitnehmen.«
»Wir haben aber keine Zeit«, erwiderte Sunset. »Aber vielleicht könnten wir, bevor wir fahren, hier ein kleines Gegenfeuer legen. Wenn wir dann zurückkommen, ist alles richtig sauber.«
»Immerhin weiß ich, wo alles ist.«
»Weiß er nicht«, widersprach Hillbilly.
»Wo die Waffen sind, hab ich gewusst.« Clyde reichte Hillbilly die Schrotflinte und eine Handvoll Munition.
»Wo schläfst du?«, fragte Sunset Hillbilly.
»Weiß ich nicht so genau. Da sieht es jedes Mal anders aus.«
»Wieso fragen Sie nicht, wo ich schlafe?«, wollte Clyde wissen.
»Es ist dein Haus. Also wirst du schon ein Plätzchen haben. Ich habe mich nur gefragt, wo der Hausgast schläft.«
Als sie wieder in den Wagen stiegen, sagte Sunset: »Ab jetzt müsst ihr Jungs stets bewaffnet sein. Wir können nicht immer erst zu Clyde fahren, wenn wir die Waffen brauchen.«
»Die meiste Zeit sind sie halt eher überflüssig«, entgegnete Clyde und schaltete durch die Gänge. »Da reicht der
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