Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
Vom Netzwerk:
Jack.«
    »Sie glauben, er hat sie geliebt?«, fragte Clyde. »Nicht einfach nur mit ihr rumgemacht?«
    »Ich glaube, er hat mich verprügelt, weil er wusste, dass sie tot war. Er wollte sie, konnte sie aber nicht haben, also hat er das an mir ausgelassen. Er liebte sie, nicht mich.«
    »Tja, dann hatte er wirklich keinen Geschmack. Und ich glaub immer noch, dass er sie abgemurkst hat. Vielleicht hat er’s auch gemacht, weil das Kind nicht von ihm war. Haben Sie sich das schon mal überlegt? Vielleicht hatte das mit Liebe gar nichts zu tun. Vielleicht hat er Jack zwar aus Eifersucht zusammengeschlagen, aber nicht, weil er so verliebt war. Vielleicht wollte er nur nicht, dass ein anderer Mann betatscht, was er für sein Eigentum hielt. Das ist doch eine Überlegung wert, oder?«
    »Das stimmt«, entgegnete Sunset.
    »So könnte es gewesen sein«, fuhr Clyde fort. »Vielleicht hat ihn das so aufgeregt, dass er ihr den Säugling rausgeschnitten und dann beide dort bei Zendos Feld verbuddelt hat. Zendo hat den Säugling entdeckt, also ist Pete gekommen und hat sich die Sache angesehen, hat aber nicht versucht, sie Zendo anzuhängen. Nicht aus Freundlichkeit, sondern weil er ein schlechtes Gewissen hatte und nicht jemanden dran glauben lassen wollte, von dem er genau wusste, dass er unschuldig war. Also hat er den Säugling begraben und gehofft, dass die Frau nicht gefunden wurde.«
    »Das ist auch so etwas, das ich nicht verstehe«, sagte Sunset. »Wenn er sie umgebracht hat, warum hat er den Säugling dann hier begraben und sie im Acker liegen lassen?«
    »Vielleicht wollte er aus irgendeinem Grund, dass man sie findet«, erwiderte Clyde, »wollte aber nicht, dass die Leute erfahren, dass er ihr den Säugling rausgeschnitten hatte.«
    »Das hat Willie allerdings ziemlich schnell rausgefunden«, widersprach Sunset.
    »Vielleicht wusste er nicht, dass man das so leicht rausfinden kann. Da bin ich mir noch nicht ganz drüber im Klaren. Aber er könnte es getan haben, und dann wurde er getötet, und jetzt werden all seine Untaten ruchbar. Verdammt, für mich klingt das ziemlich überzeugend.«
    »Vielleicht«, stimmte Sunset zu. »Vermutlich will ich einfach nicht glauben, dass es Pete war. Ich will nicht, dass es so ist. Schließlich ist er Karens Vater. Das Ganze beweist nur, dass meine Menschenkenntnis, was Männer angeht, noch weit schlechter ist, als ich dachte.«
    Clyde sah Hillbilly an und bemerkte: »Frauen können sich in Männern ganz schön täuschen.«
    »Jetzt fangt schon an zu graben«, befahl Sunset.
    »Ich seh immer noch nicht ein, warum«, entgegnete Hillbilly. »Da unten liegt ein Säugling – na und? Du weißt dann auch nicht mehr als jetzt, Säugling hin oder her.«
    »Tut einfach, was ich sage.«
    Sie mussten ziemlich tief graben, bis sie auf eine kleine Holzkiste stießen. »Ich denke, wir sollten sie öffnen«, schlug Sunset vor.
    »Irgendwie hab ich da kein gutes Gefühl, Sunset«, widersprach Clyde. »Ein toter Säugling, und wir stören ihn in seiner ewigen Ruhe.«
    »Nachdem sie ja ewig ist«, warf Hillbilly ein, »gibt’s auch nichts, was man stören könnte.«
    Sunset nahm Clyde die Schaufel ab, fuhr mit dem Schaufelblatt zwischen Kiste und Deckel und stemmte den Deckel hoch. In der Kiste lag etwas, das in ein kleines, bereits verrottetes Laken eingewickelt war. Sunset griff hinein und schlug das Laken auf. Zum Vorschein kam ein kleiner, dunkler, ledriger Schädel.
    »Das ist wirklich ein Säugling«, sagte Hillbilly.
    »Armer kleiner Snooks«, fügte Clyde hinzu.
    Sunset berührte den Schädel. »Was den Schädel erhalten hat, ist das Öl. Hat ihn dunkel gefärbt und ihn ledrig werden lassen.«
    »Ist es ein farbiges Kind?«, fragte Hillbilly.
    »Keine Ahnung«, entgegnete Sunset. »Ich glaube, das könnte jetzt niemand mehr feststellen.« Sie zog das Laken weiter zur Seite. Der Rest des Körpers war winzig und machte einen sehnigen Eindruck. Ein Teil war bereits verrottet.
    »Der Kopf hat wohl das meiste Öl abgekriegt«, sagte Clyde.
    »Ja«, entgegnete Sunset.
    »Was ist denn das?«, fragte Hillbilly.
    Sunset deckte den Säugling wieder zu und sah sich an, was Hillbilly entdeckt hatte. Es war eine Stahlkassette. Sie füllte fast den ganzen Sarg aus, und darüber lag so etwas wie ein Tuch, das allerdings schon weitgehend verfault und brüchig wie ein Spinnennetz war. Sunset hob den Säugling vorsichtig hoch, legte ihn auf den Boden und nahm die lange, rechteckige Kassette aus dem Sarg.

Weitere Kostenlose Bücher