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Kahlschlag (German Edition)

Kahlschlag (German Edition)

Titel: Kahlschlag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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hätte sie wohl mitnehmen sollen. Oder nicht weglaufen. Ich war einfach noch nicht bereit, mich häuslich niederzulassen, und nachdem ich mich an ihr vergangen hatte, noch dazu, wo ich Reverend war, habe ich wohl gedacht, ich sollte lieber abhauen. Als ob man sich vor Gott verstecken könnte.«
    »Eins muss ich sagen: In meinen Augen steht ein Schuhverkäufer weit unter einem Reverend.«
    »Das ist schon ein gewisser Trost. Wieso ist die Sache noch komplizierter?«
    »Das hängt mit meinem Sohn zusammen und mit dem, was mit ihm passiert ist. Der Mann Ihrer Tochter. Man nennt sie übrigens Sunset, obwohl ihre Mama ihr den Namen Carrie Lynn gegeben hat.«
    »Was ist passiert?«
    Marilyn erzählte es ihm, erzählte ihm von Pete und was Sunset getan hatte, erzählte von ihrem Mann und wie er auf einem Holzstamm in die Säge geritten war, die ganze Geschichte.
    Als sie fertig war, sagte Lee: »Ich habe eine Kettenreaktion in Gang gesetzt. Wegen mir ist alles Mögliche passiert, und nichts davon war gut. Damit rechnet man nicht, wenn man jung ist, dass man etwas tut, und daraus entsteht dann alles Mögliche. Mein Gott – wie geht es Carrie Lynn ... Sunset?«
    »Ihr geht es gut.«
    »Nach dem, was sie getan hat? Und Sie? Wie kommen Sie damit zurecht?«
    »Ihr blieb keine andere Wahl.«
    »Das glaube ich gern. Aber Pete war Ihr Sohn. Sicher ...«
    »Wie ich auch zu Sunset gesagt habe, manchmal habe ich so Momente. Momente, in denen ich sie hasse. Aber das geht vorüber. Und was dazukommt: Sie haben eine Enkelin.«
    »Das darf doch nicht wahr sein.«
    »Sie heißt Karen. Sie leidet zur Zeit ziemlich, wie Sie sich sicher vorstellen können. Wenn ich Sie wäre, würde ich nicht länger versuchen, Bunny Ann aufzuspüren. Sie hat ihre Entscheidung getroffen und ein neues Leben begonnen, und vielleicht ist sie auf die Art wenigstens an ein paar Schuhe gekommen. Sie war genauso an der Entstehung dieses Mädchens beteiligt wie Sie. Sie haben Bunny sitzen lassen, und Bunny hat Sunset sitzen lassen, und jetzt haben Sie eine Tochter und eine Enkelin. Vielleicht könnten Sie was Besseres mit Ihrer Zeit anfangen. Indem Sie sich um die beiden kümmern.«
    »Ich kann das alles überhaupt nicht fassen.«
    »Das kann ich mir vorstellen. Wohin sind Sie gegangen, nachdem Sie die Arbeit als Reverend aufgegeben hatten?«
    »Ich war im ganzen Land unterwegs und habe alles Mögliche gemacht. Irgendwann habe ich dann plötzlich das Bedürfnis verspürt, hierher zurückzukehren und Bunny Ann zu besuchen. Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher, ob ich sie wirklich finden will. Wie Sie sagen: Ich kann was Besseres mit meiner Zeit anfangen. Wenn Sunset und Karen etwas mit mir zu tun haben wollen. Denken Sie, die beiden wollen das?«
    »Die Frage kann ich Ihnen nicht beantworten, Lee.«
    Danach saßen sie schweigend da, tranken Limonade und hätten auch noch weiter geschwiegen, wenn sie nicht gehört hätten, wie Goose im Haus nach jemandem rief.
    »Ich werde mal nach ihm sehen«, sagte Lee.
     
    Er ging ins Schlafzimmer, wo der Junge gerade versuchte, sich aufzusetzen.
    »Warte, ich helfe dir.« Lee nahm ein Kissen, faltete es einmal und schob es Goose unter den Kopf.
    »Ich fühl mich nicht sonderlich«, sagte Goose.
    »Du würdest dich viel schlechter fühlen, wenn wir dich nicht hierher gebracht hätten.«
    »Wo sind wir?«
    Lee erzählte ihm von Marilyn, Aunt Cary, Uncle Riley und Tommy. »Sie haben dich in ihr eigenes Bett gelegt«, fügte er hinzu.
    »Farbige?«
    »Deswegen willst du jetzt doch wohl keine Fisimatenten machen, oder?«
    »Ich hab nichts gegen Farbige. Ich hab gegen niemand was. Außer vielleicht gegen diese Schlange. Lee?«
    »Ja?«
    »Werd ich wieder gesund?«
    »Sieht so aus.«
    Der Junge betrachtete seine bandagierte Hand. »Falls nicht, sollte ich dir was erzählen, vor allem, wo du doch Priester bist.«
    »Ich bin kein Priester mehr. Ich war auch mal Pinkerton-Detektiv und noch so einiges andere mehr, aber darauf spricht mich nie jemand an. Nur auf den Priester. Dabei bin ich keiner. Gott hat mich schon lange verlassen. Und du wirst wieder gesund. Du brauchst mir nichts zu beichten.«
    »Ich hatte noch nie was mit ner Frau, Lee. Das war ne Lüge. Ich wollte nur angeben.«
    »Das ist schon in Ordnung.«
    »Ich würd ja gern, aber ich hatte noch nie eine.«
    »Die Gelegenheit dazu wird sich schon noch ergeben. Ich glaube, wir sollten lieber über was anderes reden. Wenn ich du wäre, würde ich da gar nicht mehr drüber reden

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