Kain
es ein Unschuldiger getan hätte. Lilith legte sich ins Bett, doch nicht dicht an Kain. Sie lag auf dem Rücken, ihre weit geöffneten Augen starrten an die Decke, und plötzlich sagte sie, Ich habe eine Idee, Welche, Noah töten, Das ist Wahnsinn, eine verrückte Idee ohne Hand und Fuß, protestierte Kain, schlag dir diesen Irrsinn aus dem Kopf, ich bitte dich, Wieso Irrsinn, wir wären ihn los, könnten heiraten, du wärst der neue Herr der Stadt und ich deine Königin und deine Lieblingssklavin, jene, die den Boden küsst, auf den du deinen Fuß setzt, die, wenn nötig, deine Exkremente in ihren Händen auffangen würde, Und wer würde ihn töten, Du, Nein, Lilith, verlang das nicht von mir, befiehl mir das nicht, ich habe schon mein Soll an Morden erfüllt, Du würdest das nicht für mich tun, liebst du mich nicht, fragte sie, ich habe dir meinen Körper hingegeben, damit du unbegrenzt, frei und ungehemmt über ihn verfügen, ihn ohne Regeln und Verbote genießen kannst, ich habe dir die zuvor verriegelten Türen zu meinem Geist geöffnet, und du weigerst dich, etwas zu tun, worum ich dich bitte und was uns die vollständige Freiheit bringen würde, Freiheit, ja, und auch Gewissensbisse, Ich bin keine Frau, die von Gewissensbissen geplagt wird, das ist etwas für Schwächlinge, für Kraftlose, ich bin Lilith, Und ich bin lediglich irgendein dahergelaufener Kain, ein Brudermörder, ein Lehmstampfer, der, ohne sich darum verdient gemacht zu haben, das Glück hat, im Bett der schönsten und heißblütigsten Frau der Welt zu schlafen, die er mit jeder Pore seines Körpers liebt, begehrt und will, Dann töten wir Noah also nicht, fragte Lilith, Wenn dir so viel daran gelegen ist, schick einen Sklaven, So sehr verachte ich Noah nicht, dass ich ihn von einem Sklaven töten ließe, Ich bin ein Sklave, und du wolltest, dass ich ihn töte, Das wäre etwas anderes, wer in meinem Bett schläft, ist kein Sklave, oder vielleicht doch, aber nur von mir und meinem Körper, Und warum tötest nicht du ihn, fragte Kain, Ich glaube, das brächte ich trotz allem nicht fertig, Dass Männer Frauen töten, das ist etwas Alltägliches, wenn du ihn tötest, würdest du vielleicht eine neue Epoche einläuten, Das sollen andere tun, ich bin Lilith, die Verrückte, die Wahnsinnige, doch da hören meine Fehler und meine Verbrechen schon auf, Dann lassen wir ihn am Leben, es wird ihm Strafe genug sein zu wissen, dass wir wissen, dass er mich töten wollte, Nimm mich in die Arme, tritt mich mit Füßen, du Lehmstampfer. Kain umarmte sie, drang aber sanft, ganz ohne Gewalt, in sie ein, so unerwartet zärtlich, dass ihr fast die Tränen kamen. Zwei Wochen später verkündete Lilith, dass sie schwanger sei.
Jeder Mensch hätte gesagt, im Palast seien endlich sozialer und häuslicher Frieden eingekehrt und über allen schwebe der Geist der Brüderlichkeit. Dem war nicht so, nach wenigen Tagen war Kain zu dem Schluss gekommen, dass nun, da Lilith ein Kind erwartete, seine Zeit zu Ende ging. Wenn das Kind zur Welt kam, würde es für alle Noahs Kind sein, und wenn es auch anfangs nicht an berechtigten Verdächtigungen und Gerüchten mangeln würde, die Zeit, diese große Gleichmacherin, würde die einen wie die anderen wegschleifen, ganz abgesehen davon, dass die künftigen Historiker dafür sorgen würden, aus der Chronik der Stadt jegliche Anspielung auf einen gewissen Lehmstampfer zu tilgen, einen Lehmstampfer namens Abel oder Kain oder wie zum Teufel er hieß, eine Frage, die vermutlich schon allein Grund genug wäre, ihn dem Vergessen anheimzugeben und endgültig in Quarantäne zu schicken, in den Vorhof jener Ereignisse, die um der Ruhe der Dynastien willen besser nicht ans Tageslicht geholt werden. Unser Bericht ist zwar in keiner Hinsicht historisch, beweist aber, in welchem Maß die besagten Historiker sich täuschten oder wenig wohlmeinend waren, Kain hat wirklich existiert, er hat Noahs Frau ein Kind gemacht, und nun hat er ein Problem, wie soll er Lilith mitteilen, dass er fortgehen will. Er vertraute darauf, dass die vom Herrn verhängte Verdammnis, Du wirst unstet auf Erden umherirren, sie dazu bringen könnte, seine Entscheidung zu akzeptieren. Es erwies sich als nicht so schwierig wie erwartet, vielleicht weil dieses Kind, aus nur einer Handvoll taumelnder Zellen bestehend, schon ein Wollen, ein Begehren äußerte, was sich als Erstes darin bemerkbar machte, dass die irrsinnige Leidenschaft der Eltern sich auf eine normale
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