Kain
geboren und groß geworden, mit Stroh und Disteln gefüttert, das Wasser rationiert oder fast, da grenzte der Anblick, der sich ihm dort bot, an Herrlichkeit. Ein Jammer, dass niemand da war, der die Bewegungen seiner Ohren zu interpretieren wusste, dieser Art von Fahnentelegraphen, mit denen die Natur ihn ausgestattet hat, ohne dass der beglückte Esel wusste, dass er eines Tages das Unaussprechliche würde ausdrücken wollen, doch das Unaussprechliche entzieht sich ja bekanntlich jeglicher Ausdrucksmöglichkeit. Glücklich ist auch Kain, er träumt schon von einem Mittagessen im Grünen, an dahineilenden Wasserläufen und mit im Laubwerk tirilierenden Vögeln. Rechterhand des Weges, dort hinten, steht eine Reihe stattlicher Bäume, die den allerschönsten Schatten und die beste Siesta versprechen. Dorthin lenkte Kain seinen Esel. Der Ort schien wie geschaffen zur Erquickung müder Reisender und ihrer Lasttiere. Parallel zu den Bäumen standen in einer Reihe Büsche, sie verdeckten den schmalen Pfad, der auf den Berg hinaufführte. Von der Last der Satteltaschen befreit, hatte der Esel sich dem Genuss von frischen Gräsern und vereinzelten Wildblumen hingegeben, Köstlichkeiten, die seinen Schlund noch nie passiert hatten. Kain stellte sich in aller Ruhe sein Menü zusammen und verzehrte es an Ort und Stelle auf dem Erdboden sitzend, umringt von harmlosen Vögeln, die nach den Krümeln pickten, während ihm beim Gedanken an die schönen Stunden in Liliths Armen abermals das Blut aufwallte. Die Lider waren ihm schon langsam schwer geworden, als ihn eine junge Knabenstimme aufschrecken ließ, Vater, rief der Junge, und gleich darauf fragte eine andere Stimme, die eines Erwachsenen von gewissem Alter, Was willst du, Isaak, Wir haben das Feuer und das Holz hierher gebracht, aber wo ist das Opfer für das Brandopfer, und der Vater antwortete, Der Herr wird dafür sorgen, der Herr wird das Opfer finden. Und sie stiegen weiter bergauf. Während sie nun also ohne Hast bergauf gehen, sollte man wissen, wie das alles angefangen hat, um abermals festzustellen, dass der Herr keiner ist, dem man trauen kann. Vor rund drei Tagen, nicht mehr, hatte er zu Abraham, dem Vater des Jungen, der das Brennholz auf dem Rücken trägt, gesagt, Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du liebhast, und gehe hin in das Land Morija und opfere ihn daselbst als Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde. Der Leser hat richtig gelesen, der Herr befahl Abraham, den eigenen Sohn zu opfern, er tat es mit der größten Selbstverständlichkeit, so wie man um ein Glas Wasser bittet, wenn man Durst hat, was bedeutet, dass ihm dies eine Gewohnheit war, und zwar eine tief verwurzelte. Logisch, natürlich, schlicht und einfach menschlich wäre gewesen, wenn Abraham den Herrn zum Teufel gejagt hätte, doch das tat er nicht. Am nächsten Morgen stand der unmenschliche Vater in der Frühe auf, legte dem Esel das Geschirr an, packte das Holz für das Brandopfer, nahm zwei Knechte und seinen Sohn Isaak mit und machte sich auf den Weg zu dem Ort, den der Herr ihm genannt hatte. Am dritten Tag sah er von fern die genannte Stätte. Da sprach er zu den Knechten, Bleibt ihr mit dem Esel hier, ich gehe mit dem Knaben weiter, um den Herrn anzubeten, und danach kehren wir zu euch zurück. Mit anderen Worten, Abraham war nicht nur ein ebenso abgefeimter Hurensohn wie der Herr, sondern auch ein raffinierter Lügner, bereit, jedweden mit seiner gespaltenen Zunge zu täuschen, was dem privaten Wörterbuch des Erzählers dieser Geschichte zufolge in diesem Fall perfide, betrügerisch, heimtückisch, treulos und ähnlich Hübsches bedeutet. Als sie an die Stätte kamen, die der Herr ihm gesagt hatte, baute Abraham einen Altar und verteilte das Holz darauf. Dann fesselte er seinen Sohn und legte ihn auf das Holz. Sodann zückte er das Messer, um den armen Jungen zu opfern, und als er ihm gerade die Kehle durchschneiden wollte, spürte er, dass ihn jemand am Arm festhielt, und gleichzeitig hörte er eine Stimme rufen, Was willst du tun, böser Alter, den eigenen Sohn töten, ihn verbrennen, immer wieder die alte Geschichte, man fängt mit einem Lamm an und mordet am Ende, wen man am meisten lieben sollte, Der Herr hat es mir befohlen, der Herr hat es befohlen, wehrte sich Abraham, Sei still, sonst töte ich dich auf der Stelle, binde sofort den Jungen los, knie dich hin und bitte ihn um Vergebung, Wer bist du, Ich bin Kain, ich bin der Engel, der soeben Isaak das Leben
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