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Kain

Kain

Titel: Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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die sich ohne Wörterbücher und Dolmetscher auf Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Euskara ausdrückten, manche auf Latein und Griechisch und sogar, wer hätte das gedacht, auf Portugiesisch, gleich auf einen Mann stieß, der Hebräisch sprach, eine Sprache, die ihm in dem gan- zen Durcheinander zugefallen war und von der Kain schon einige Kenntnis besaß. Was ist hier passiert, fragte Kain, und der Mann antwortete, Als wir vom Orient kamen, um uns hier niederzulassen, sprachen wir alle dieselbe Sprache, Und wie hieß die, wollte Kain wissen, Da es die einzige war, die es gab, brauchte sie keinen Namen, es war die Sprache, mehr nicht, Was geschah dann, Jemand hatte die Idee, Ziegel zu machen und sie im Ofen zu brennen, Und wie habt ihr sie gemacht, fragte der ehemalige Lehmstampfer und freute sich, unter seinesgleichen zu sein, Wie wir sie immer gemacht haben, mit Lehm, Sand und feinem Kies, als Mörtel haben wir Bitumen verwendet, Und dann, Dann beschlossen wir, eine Stadt zu erbauen, mit einem hohen Turm, dem, der da steht, einem Turm, der bis in den Himmel reicht, Wozu das, fragte Kain, Damit wir berühmt werden, Und was ist passiert, warum stockt der Bau, Weil der Herr kam, um ihn sich anzusehen, und er gefiel ihm nicht, In den Himmel zu kommen wünscht sich jeder gerechte Mensch, der Herr müsste eigentlich bei dem Bau etwas mithelfen, Das wäre gut gewesen, ja, aber das hat er nicht, Was hat er dann getan, Er hat gesagt, da wir uns vorgenommen hätten, diesen Turm zu bauen, könne uns niemand mehr daran hindern zu tun, was wir wollen, deswegen hat er uns die Sprachenverwirrung gebracht, und seitdem können wir uns, wie du siehst, nicht mehr verständigen, Und was wird jetzt, fragte Kain, Jetzt wird es keine Stadt geben, der Turm wird nicht fertig gebaut, und wir, jeder mit einer eigenen Sprache, können nicht mehr so zusammenleben wie bisher, Den Turm lasst ihr am besten zur Erinnerung stehen, es wird eine Zeit kommen, da wird man überall Ausflüge zur Besichtigung von Ruinen organisieren, Wahrscheinlich wird es nicht einmal mehr Ruinen geben, so mancher hier hat den Herrn sagen hören, wenn wir nicht mehr sind, wird er einen großen Wind schicken und ihn zerstören, und was der Herr sagt, das tut er, Ja, Eifersucht ist sein großer Fehler, anstatt auf seine Kinder stolz zu sein, entscheidet er sich lieber für den Neid, es ist klar, dass der Herr es nicht erträgt, wenn jemand glücklich ist, So viel Arbeit, so viel Schweiß, alles umsonst, Ein Jammer, sagte Kain, es wäre ein schönes Bauwerk geworden, Genau, sagte der Mann, nun mit begehrlichem Blick auf den Esel. Er wäre für ihn eine leichte Beute gewesen, hätte er seine Gefährten zu Hilfe geholt, doch der Egoismus siegte über die Intelligenz. Als der Mann eine Bewegung andeutete, um nach dem Zaumzeug zu greifen, vollführte der Esel, ebenjener, der als fügsames Tier aus Noahs Stall gekommen war, mit den Vorderhufen eine Art Tanzschritt, drehte sein Hinterteil und schlug so heftig aus, dass der arme Teufel auf der Erde landete. Zwar hatte er in Notwehr gehandelt, doch wurde dem Eseltier sofort bewusst, dass seine guten Gründe nicht zählen würden für die Horde, die, in allen vorhandenen und künftigen Sprachen brüllend, auf sie zustürmte, um die Satteltaschen zu plündern und ihn selbst zu Hackfleischklößchen zu verarbeiten. Ohne von den Fersen seines Reiters angespornt werden zu müssen, fiel er in lebhaften Trab und gleich darauf in Galopp, beides gänzlich überraschend angesichts seiner Eselsnatur als zuverlässiges Tier, das man jedoch grundsätzlich nicht zur Eile antreiben konnte. Die Angreifer mussten aufgeben und zusehen, wie der Esel in einer Staubwolke verschwand, die wiederum eine weitere bedeutende Veränderung zur Folge hatte, denn sie führte Kain und sein Reittier in eine andere künftige Gegenwart, zwar am selben Ort, doch ohne die kühnen Rivalen des Herrn, die nun in alle Welt verstreut waren, weil sie keine gemeinsame Sprache mehr hatten, die sie zusammenhalten konnte. Imposant, majestätisch stand der Turm da, dicht über dem Horizont, obwohl unvollendet, sah er aus, als könnte er Jahrhunderten und Jahrtausenden trotzen, doch von einem Augenblick auf den nächsten war er verschwunden. Es geschah, was der Herr angekündigt hatte, als er sagte, er werde einen großen Wind schicken, der keinen Stein auf dem anderen, keinen Ziegel auf dem anderen lassen würde. Aus der Entfernung konnte Kain nicht

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