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Kain

Kain

Titel: Kain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: José Saramago
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in der Vergangenheit reichlich beschäftigt, mit schändlicher Oberflächlichkeit nach Ansicht einiger Fachleute und in einer Ausdrucksweise, die uns sehr wahrscheinlich nur von Schaden sein wird bei den Plädoyers des Jüngsten Gerichts, wenn alle Seelen wegen Maßlosigkeit oder Mangel verurteilt werden. Jetzt interessiert uns nur die Familie, deren Oberhaupt Papa Adam ist, und was für ein schlechtes Oberhaupt er war, denn anders können wir es wirklich nicht bezeichnen, schließlich brauchte die Frau ihm nur die Frucht vom Baum der Erkenntnis zu bringen, damit sich der inkonsequente erste aller Patriarchen, im Grunde eher aus Selbstgefälligkeit denn aus echter Überzeugung, zunächst hatte bitten lassen, sich dann an der Frucht verschluckte und damit uns Männern für alle Zeit dieses lästige Stück Apfel in der Kehle hinterließ, das weder hochkommt noch nach unten rutscht. Auch gibt es Stimmen, die behaupten, Adam habe die verhängnisvolle Frucht nur deshalb nicht ganz heruntergeschluckt, weil plötzlich der Herr erschienen sei und wissen wollte, was passiert sei. Jetzt gleich und bevor dieser Hinweis uns endgültig entfällt oder gar infolge des Fortgangs des Berichtes an unpassender Stelle, weil verspätet, erscheint, verraten wir hier etwas über den verschwiegenen, fast heimlichen Besuch, den der Herr in einer warmen Sommernacht dem Garten Eden abstattete. Wie üblich schliefen Adam und Eva nackt nebeneinander, ohne sich zu berühren, ein erhebendes, wenn auch trügerisches Bild vollkommener Unschuld. Sie wachten nicht auf, und der Herr weckte sie auch nicht. Was ihn dorthin geführt hatte, war der Vorsatz, einen Herstellungsfehler zu beheben, der, wie er endlich bemerkt hatte, seine Geschöpfe ernsthaft verunstaltete, und das war, man stelle sich vor, das Fehlen eines Nabels. Die weißliche Hautfläche seiner Babys, die selbst die milde Sonne des Paradieses nicht zu bräunen vermocht hatte, stellte sich allzu nackt dar, bot sich allzu sehr an, sozusagen in obszöner Weise, falls es dieses Wort damals schon gab. Unverzüglich, damit sie nicht aufwachten, streckte Gott den Arm aus und drückte seinen Zeigefinger leicht in Adams Leib, ließ ihn rasch ein paarmal kreisen, und schon trat der Nabel zutage. Das gleiche Vorgehen, anschließend an Eva vorgenommen, führte zu entsprechendem Ergebnis, wenn auch mit dem wesentlichen Unterschied, dass ihr Nabel um einiges besser ausfiel, was Gestaltung, Konturen und zarte Falten betrifft. Dies war das letzte Mal, dass der Herr ein von ihm geschaffenes Werk betrachtete und es für gut befand.
    Fünfzig Jahre und einen Tag nach diesem geglückten chirurgischen Eingriff, der den Beginn einer neuen Ära in der Ästhetik des menschlichen Körpers unter dem unbestrittenen Motto markiert, dass sich alles an ihm perfektionieren lässt, geschah die Katastrophe. Von einem Donnerschlag angekündigt, trat der Herr in Erscheinung. Er war anders gekleidet als üblich, dem entsprechend, was womöglich die neue Herrschermode im Himmel war, auf dem Kopf eine dreifache Krone und in der Hand das Zepter wie einen Schlagstock schwingend. Ich bin der Herr, schrie er, ich bin, der ich bin. Der Garten Eden versank in Totenstille, man hörte weder das Summen einer Wespe noch das Bellen eines Hundes, weder das Piepen eines Vogels noch das Trompeten eines Elefanten. Einzig ein Schwarm Stare, der sich in einem dichtbelaubten Olivenbaum aus der Zeit, als der Garten angelegt wurde, niedergelassen hatte, flog auf einen Schlag davon, und es waren Hunderte, wenn nicht Tausende, die den Himmel fast verdunkelten. Wer hat meine Anweisungen missachtet, wer ist an die Frucht meines Baumes gegangen, fragte Gott mit einem direkt auf Adam gerichteten gleißenden Blick, ein wenig gebräuchliches Adjektiv, doch ausdrucksstark wie alle, die noch seltener sind. In seiner Verzweiflung mühte sich der arme Mann vergeblich, das Apfelstück, das ihn verriet, hinunterzuschlucken, doch drang kein Laut aus seiner Kehle, weder vorwärts noch rückwärts. Antworte, forderte erneut die cholerische Stimme des Herrn, wobei er bedrohlich das Zepter schwenkte. Wohl wissend, wie hässlich es ist, die Schuld auf andere zu schieben, nahm Adam all seinen Mut zusammen und sagte, Die Frau, die du mir zur Gefährtin gegeben hast, hat mir die Frucht von dem Baum gereicht, und ich habe sie gegessen. Der Herr wandte sich der Frau zu und fragte, Was hast du getan, du Unselige, und sie antwortete, Die Schlange hat mich getäuscht, da

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