Kaiser des Mars
himmlisch gewesen sein, damals, in der Zeit, als man noch Oberflächenfahrzeuge benutzte.
Aber im Weltraum gibt es buchstäblich nichts, das man sich ansehen kann, und deshalb werden Raumfahrzeuge auch ohne Bullaugen oder Fenster hergestellt. Außerhalb des Rumpfes liegt nichts außer totem, schwarzen Vakuum. Es gibt eine Menge Sterne, aber sie sehen alle gleich aus. Und nachdem man das erste Mal die ›sternenübersäte Ewigkeit‹ (wie der Dichter sie nennt) gesehen hat, hat man wirklich alles gesehen, was es zu sehen gibt.
Die einzigen Teile einer Raumreise, die den Reisenden überhaupt etwas bieten, sind Start und Ankunft. Üblicherweise finden beide in der Umgebung des einen oder anderen Mondes statt; man kann sich also die Mondlandschaft und die in der Regel interessantere Planetenlandschaft dahinter ansehen. Aber zwischen Anfang und Ende der Reise gibt es überhaupt nichts außer geisttötende Schiffsroutine und absolute Langeweile.
Ein Luna-Mars-Flug ist Langeweile im Quadrat, ganz besonders wenn man in etwas weniger Luxuriösem als einem Liner der Prometheus-Klasse fliegt. Die Raumlinien wissen, wie man mit der Langeweile fertig wird, und bieten alles mögliche, angefangen bei Stereobildern vom Krater Aristarchus im Licht der aufgehenden Erde, den Saturn-Ringen während des Durchgangs von vier Monden und anderen spektakulären Bildern bis zu Sportveranstaltungen, organisierten Spielen und Amateurtheatervorstellungen.
Unsere vierköpfige Expedition verfügte natürlich nicht über derartige Unterhaltung. Wir redeten nicht einmal viel miteinander, wenn der Doktor sich auch heldenhaft bemühte, während des Dinners so etwas wie gesellige Atmosphäre aufkommen zu lassen und Konversation zu machen. Das Mädchen Ilsa hatte mir nichts zu sagen, und was meinen Freund Konstantin anging, so hatte er niemandem etwas zu sagen. Aber das Mandatsgesetz verlangte, daß alle Raumfahrzeuge eine Bibliothek besaßen, und wenn es nur wäre, um die Leute daran zu hindern, während einer langen Reise verrückt zu werden. Die Antoine d’Eauville hatte eine, die ganz vernünftig war, sah man einmal darüber hinweg, daß ein gewisses Übergewicht an wissenschaftlichen Journalen und Abhandlungen bestand (schließlich handelte es sich um ein Museumsschiff).
Ich fand genug Lesestoff, um mich die meiste Zeit damit zu beschäftigen. Ich hatte seit meiner Schulzeit überhaupt keinen Borges mehr gelesen und empfand es als großes Glück, hier auf sein unnachahmliches Genie zu treffen. Die Dichter waren fast alle Neuentdeckungen für mich. Auch Vásquez, der Nobelpreisgewinner, war darunter und erwies sich als der Erregendste meiner neuen Funde.
Da ich in der endlosen Monotonie überhaupt nichts zu tun hatte, las ich praktisch den ganzen Tag. Hin und wieder mußte ich die Maschine abschalten, einfach weil sie anfing, sich zu überhitzen. Zum Glück hatte an Bord sonst niemand meine Muße, also hatte ich die Bänder alle für mich. Das Mädchen hatte, glaube ich, ein tragbares Lesegerät in ihrer Kabine; der Doktor war mit der Gedankenaufzeichnung beschäftigt, die er im Detail bearbeitete; was Bolgov tat, weiß ich nicht. Wahrscheinlich flegelte er den ganzen Tag auf seiner Pritsche, denn das Schiff lenkte sich natürlich selbst.
Der Mars wurde langsam zu einer großen, gefleckten Orange mit weißen Frostflecken an den Polen. Der Doktor weihte mich in seine Pläne ein. Es wäre zu riskant gewesen, die d’Eauville in ein Parkorbit zu steuern und entweder mit einem Gleiter oder dem Lanzetti hinunterzufliegen. Zweifellos hatten die Bullen von der Erde inzwischen rekonstruiert, was geschehen war und ihre KA-Kollegen auf der Deimos-Station verständigt. Ein schnelles Streifenboot hätte die d’Eauville ohne Zweifel entdeckt und den Fluchtweg des Doktors einfach dadurch abgeschnitten, daß es sich auf die Lauer legte und wartete.
Also beabsichtigte er, das Raumschiff auf der Planetenoberfläche zu landen. Eine Icarus ist nun so ziemlich das kleinste und leichteste Schiff, das man überhaupt für eine interplanetarische Reise benutzen kann; aber sie ist immer noch groß und kompliziert und zerbrechlich genug, um eine Planetenlandung zu einem höchst gefährlichen Unterfangen zu machen. Die Tatsache, daß das Schwerkraftfeld des Mars bestenfalls als schwach bezeichnet werden kann und das Museum die Konstruktion der d’Eauville bereits etwas modifiziert und für genau diesen Zweck eine übergroße Antriebsanlage hatte einbauen lassen,
Weitere Kostenlose Bücher