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Kaiser des Mars

Kaiser des Mars

Titel: Kaiser des Mars Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lin Carter
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Sandes hineinschob, und der glasige Schimmer der Syrtis-Kolonie, die am seltsam nahen Horizont aufstieg, ein Dunst von nebligem Blau, von der Erdluft in dem halbkugelförmigen MPB-Feld.
    Als wir uns der Kolonie selbst näherten, riefen einige meiner Mitreisenden laut aus, sie hätten geglaubt, die Stadt sei überkuppelt. Erwartete die Kolonialadministration von ihnen, daß sie diese unbequemen Masken immer trügen?
    Ich erinnere mich noch gut an die beiläufige Art, wie der Traktorfahrer, ein Marsveteran, knochendürr und von der Tiefraumstrahlung braun verbrannt, uns lakonisch erklärte, daß die ursprüngliche Kolonie eine Tragluftkuppel gehabt hätte – man brauchte sie nur anzustechen, und die Luft war weg, grinste er. Aber das war vor der Erfindung des Molekular-Potential-Barriere-Feldes, eines energetischen Feldes, dessen Oberflächenspannung Luftmoleküle abstieß und den Innenluftdruck stabilisierte. Auf die Weise konnte man einen atmosphärischen Druck von Erdnorm aufbauen und bewahren …
    »Oh!«
    Das unerwartete Geräusch riß mich aus meiner Stimmung. Ich drehte mich um. Das Mädchen Ilsa war mir aus der Schleuse gefolgt und sah jetzt zum ersten Mal die Oberfläche des Mars. Ich ging zu ihr hinüber und blieb neben ihr stehen; ihre Augen waren vor Staunen geweitet, und sie atmete tief. Ihre Finger krallten sich in meinen Arm. Ich konnte es ihr nicht verübeln: Wenn man zum erstenmal die marsianische Landschaft sieht, kann das ein atemberaubendes Erlebnis sein.
    Die Krater sind die erste Überraschung, die der Mars einem bietet. Es gibt so viele davon, und sie sind überall. Manche sind nicht viel mehr als kleine Pockennarben im Boden, so klein, daß man nicht einmal seine Faust hineinlegen kann, und sie dehnen sich bis zu dem Supermonstrum, das so groß ist, daß man in der südöstlichen Ecke seiner Ringwand die ganze Kolonie von Sun Lake City erbaut hat.
    Ihre Finger taten mir weh. Ich sah zu ihr hinüber, sah ihre geweiteten Augen unter der Schutzbrille und grinste und erinnerte mich an mein eigenes Erstaunen. Die zweite große Überraschung kommt nämlich dann, wenn man feststellt, daß der rote Planet gar nicht rot ist, sondern ein Durcheinander von gelbem Sand und blauen Moosgewächsen, hier und dort von strahlendem Purpur durchbrochen.
    Die ersten Siedler kamen nie ganz über ihre Überraschung hinweg. Das ist zwar absurd, aber typisch Mensch. Im Nachhinein betrachtet, kann man sich nur schwer vorstellen, wie man je den Fehler machen konnte, anzunehmen, daß der Mars rot sein würde. Schließlich hatte einer der russischen Wissenschaftler – Tikhov war es, glaube ich – den Schluß gezogen, daß die marsianische Vegetation blau sein mußte, damit der Planet aus der Perspektive der Astronomen von der Erde rot aussehen konnte. Er zog diesen Schluß vor mehr als eineinhalb Jahrhunderten, damals, 1909 war das.
    Jetzt standen wir schon eine ganze Weile da und sahen uns um. Der Himmel war totes, stumpfes Schwarz und wurde nur am Rand des Horizonts etwas heller, eine Art staubiges Violett, dort, wo die Luftmoleküle eine Chance hatten, etwas Licht zu brechen. Die Sterne waren durchdringend scharf und klar und sahen ganz anders aus als die Sterne, die man nachts auf der Erde sieht. Sie funkelten nicht, waren ganz starr. Und sie hatten die unmöglichsten Farben. Auf der Erde scheinen die Sterne weiß zu glitzern und zu blitzen, manchmal mit einer Spur Blau oder Rot; aber das kommt einfach daher, weil die schwachen Farben des Sternenlichts kaum eine Chance haben, durch die dicke Suppe der irdischen Atmosphäre zu dringen. Hier leuchten sie in den seltensten Farben: ein halbes Dutzend Schattierungen von Grün und Blau, alle Tönungen von blassem Gelb über Rot und ein paar, die Sie mir ganz bestimmt nicht glauben würden, wie Alpha Derceto, der braun ist, und Delta Erigius, der die Farbe einer Pflaume hat.
    Sie blickte nach oben. Grinsend fragte ich sie, ob sie die Monde suchte, und sie nickte und fragte, wo sie wären. Ich versuchte ihr zu erklären, daß sie einfach zu klein wären, als daß man sie – abgesehen von ziemlich ungewöhnlichen Umständen – mit bloßem Auge sehen könnte.
    »Aber das ist doch verrückt!« sagte sie, und ihre Stimme klang in der dünnen Luft ausdruckslos und blechern. »Zu Hause kann man doch in einer klaren Nacht selbst einen Funksatelliten sehen, wenn man weiß, wo man hinschauen muß. Und die sind nur vier oder fünf Meter groß, während hier – nun, Deimos, der

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