Kaiserhof Strasse 12
aus Hinterzarten wegfahren, das mit älteren Kurgästen, vor allem aber mit verwundeten Soldaten überfüllt war, und einen Abstecher an den Bodensee machen. Noch am gleichen Tag reisten wir ab.
Ich wußte, daß es Ausländern während des Krieges verboten war, sich der Grenze auf weniger als zehn Kilometer zu nähern. Nach meinem Paß war ich Ausländer. Das Grenzsperrgebiet wurde besonders scharf kontrolliert. Ich bedachte nicht, daß wir auf dem Weg vom Schwarzwald zum Bodensee dieses Sperrgebiet passieren mußten. Es wäre möglicherweise alles gut gegangen, wenn Mimi nicht den Einfall gehabt hätte, in Singen Station zu machen und den Hohentwiel zu besteigen.
Wir verließen also in Singen den Zug und quartierten uns im Hotel »Sternen« in der Nähe des Bahnhofs ein. Mir war nicht bekannt, daß das Grenzgebiet zur Schweiz zwischen Tengen und dem Bodensee, zu dem auch Singen gehörte, wegen des unübersichtlichen Grenzverlaufs von illegalen Grenzgängern bevorzugt wurde und darum unter verschärfter polizeilicher Kontrolle stand. So machte ich mir auch keine Gedanken, als ich bei der Hotelrezeption meinen Fremdenpaß vorlegte.
Wie damals nicht anders möglich, nahmen wir zwei Einzelzimmer. Sie lagen zwar auf dem gleichen Gang, aber doch recht weit voneinander entfernt. Ordnungsgemäß füllten wir die Anmeldeformulare aus und wurden nicht mißtrauisch, als uns der Empfangschef erklärte, er müsse unsere Ausweise für die Anmeldung bei der Polizei einbehalten. Natürlich achteten wir auch nicht darauf, welches Zimmer auf Mimis und welches auf meinen Namen eingeschrieben wurde.
Es war lange nach Mitternacht, als ich Mimi verließ, leise über den Gang huschte und mich in das andere Zimmer begab. Ich war noch nicht eingeschlafen, als ich Lärm auf dem Gang hörte. Jemand schlug gegen eine Tür und rief: »Aufmachen! Polizei!«
Ich wagte nicht, nach draußen zu schauen.
Eine Tür wurde geschlossen, dann war wieder Stille. Ich überlegte, ob das Mimis Zimmertür gewesen sein könnte. Aber was mochte die Polizei von ihr wollen? Ich war in großer Unruhe und wartete, daß die Polizisten wieder gehen würden. Da wurde es auf dem Gang laut. Jetzt hämmerten Fäuste gegen meine Tür. Schnell knipste ich das Licht an und öffnete. Gleich drei Männer standen im Türrahmen, einer in Uniform.
»Polizei. Sind Sie Herr Valentin Senger?« »Ja, der bin ich.«
»Dann ziehen Sie sich an. Wir müssen Sie mitnehmen.«
Mit meinem Fremdenpaß hatte ich den Verdacht des Portiers im »Sternen« erregt, und er meldete meine Anwesenheit im Hotel der örtlichen Polizei. Diese wiederum hatte bei der Gestapo in Konstanz Alarm geschlagen. Zwei Gestapomänner waren unverzüglich nach Singen gefahren. Zusammen mit einem Singener Polizisten machten sie sich auf den Weg ins Hotel »Sternen«. Man hatte ihnen meine Zimmernummer genannt, und zu dritt waren sie gekommen, mich dingfest zu machen. Aber in meinem Zimmer schlief Mimi.
Erschrocken war sie aus dem Bett gesprungen, als man gegen ihre Tür donnerte. Sie öffnete und blickte in drei überraschte Gesichter, denn die Polizisten hatten nicht damit gerechnet, daß eine Frau ihnen öffnen könnte. Sie glaubten, ich würde mich irgendwo verstecken, schoben Mimi zur Seite und durchsuchten das Zimmer, hoben die Bettdecke auf, schauten unters Bett, in den Schrank und in die Waschnische. Dann erst fragte einer, ob Mimi allein sei, was sie mit gutem Gewissen bejahte. Endlich nannten sie ihr meinen Namen, und die Zimmerverwechslung klärte sich auf.
Während ich mich noch anzog, wandte sich einer der Geheimpolizisten an Mimi, die in ihrer halb geöffneten Tür stand, und befahl ihr: »Sie kommen auch mit.«
Zuerst brachte man uns zur örtlichen Polizeiwache. Eine Stunde später mit dem Auto nach Konstanz zum Gestapoquartier. In getrennten Zimmern mußten wir dort auf unsere Vernehmung warten. Es war noch sehr früh, etwa sechs Uhr. Um acht Uhr holte man zuerst Mimi zum Verhör. Sie wurde gefragt, warum wir in das Grenzgebiet gefahren seien. Man glaubte ihr nicht, daß es ihre Idee gewesen sei, in Singen zu übernachten. Man vermutete, daß Mimi mir behilflich sein sollte, unauffällig über die Schweizer Grenze zu gelangen.
Die Vernehmungsbeamten wollten unbedingt den Namen des Komplizen wissen und ließen nicht locker, denn ohne einen erfahrenen Grenzgänger war es nicht möglich, unbemerkt die grüne Grenze zu überschreiten.
Gegen neun Uhr holten sie mich. Ich mußte meinen
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