Kaiserkrieger 4: Der Aufstand
der Leichtgläubigen in der Tasche. Flavia hatte ihm verraten, wo die frischen Vorräte angelandet worden waren, und er wollte sich auf den großen Tag vorbereiten, wenn Maximus’ Truppen vor Ravenna standen. Dann würde er handeln müssen. Diderius war ein kluger Mann. Er legte großen Wert auf detaillierte Vorbereitungen und überließ ungern etwas dem Zufall.
Also machte er eine Übung. Er würde das Gift heute Nacht nicht verabreichen. Aber jeder Handgriff, jeder Schritt sollte passen. Flavia würde er bald nicht mehr brauchen. Ihr Schicksal kümmerte ihn nicht. Wenn alles getan war, würde er Ravenna schnell verlassen. Auch dafür war bereits alles vorbereitet.
Diderius war ein gründlicher Mann.
Er betrat den dunklen Hinterhof der Kantine, in der Flavia arbeitete, und horchte. Nichts regte sich. Ein paar streunende Katzen huschten am Abfall vorbei, aber es war keine Menschenseele zu erkennen. Die Wachsoldaten kamen auch hierher, aber nicht mehr als zweimal in der Nacht, und meist hielten sie sich ob des üblen Gestanks nicht allzu lange hier auf. Der erste Rundgang war bereits vorbei. Diderius hatte Zeit.
Er tastete sich mehr voran, als er ging. Doch er hatte sich die Umgebung genau eingeprägt, bei Tageslicht, ein jedes Mal, wenn er eine glückliche und freudestrahlende Flavia nach ihrer Schicht abgeholt hatte.
Diderius war ein gründlicher Mann.
Sein rechter Fuß trat auf etwa Weiches. Es gab ein sanftes, quietschendes Geräusch, als die Sandale sich in etwas Klebriges senkte. Ein Essensrest, ohne Zweifel. Diderius wollte gar nicht daran denken, in was er da getreten war. Das unangenehm feuchte Gefühl, das sich zwischen Sohle und Fuß ausdehnte, erregte fast genauso viel Übelkeit in ihm wie der Anblick der nackten, wollüstigen Flavia. Passte also alles zusammen. Aber es war egal. Diderius hatte ein paar Ersatzsandalen in dem kleinen Beutel, den er um die Schulter trug. Er war vorbereitet.
Er war ein sehr gründlicher Mann.
Er war an der Hintertür angekommen, vor der ein mächtiges Schloss hing. Er holte den Schlüssel hervor, den er Flavia entwendet hatte, und erprobte, ob er hineinpasste. Eine perfekte Kombination. Achtsam drehte er den schweren Schlüssel um, es klickte und das Schloss war offen. Wenn er wollte, könnte er die Tür jetzt öffnen und hätte Zugang zur Küche und den Vorratsräumen.
Bald, ermahnte er sich. Nicht heute Nacht, aber bald.
Er drehte den Schlüssel erneut, diesmal in die andere Richtung. Es klickte. Das Schloss war zu. Er zog den Schlüssel ab. Genug getan für heute Nacht.
Er drehte sich um, atmete tief durch. Das war perfekt gelaufen. Alles war bereit.
Dann sah er, wie sich ihm ein Licht näherte. Eine kleine Öllampe nur, lediglich ein schwacher Schimmer.
Er verengte die Augen, versuchte etwas zu erkennen. Eine mächtige Gestalt zeichnete sich undeutlich, schemenhaft ab. Schwere, sichere Schritte. Keine Vorsicht, kein Zögern.
»Hallo Didi!«, erklang die Stimme der Flavia.
Diderius zuckte heftig zusammen, machte unwillkürlich einen Schritt zurück.
»Aber … aber … Liebste …«
»Ah. Ja. Ich vergaß.«
Eine schnelle Bewegung. Ein scharfer, brutaler Schmerz. Er blickte an sich hinab, sah ein schweres, großes Fleischermesser in seinem Bauch stecken, geführt von einer schweren, rötlichen Hand.
»Keine Angst, Didi«, hörte er Flavias Stimme ganz nahe. »Ich bin ein Profi!«
Dann öffnete sie seine Gedärme mit der Kraft und Effizienz einer Metzgerin. Als der Leib des Diderius röchelnd zu Boden sank, seine Augen blicklos in den düsteren Himmel starrten, ließ sie das Messer achtlos neben ihm liegen. Sie beugte sich hinab, riss den Geldbeutel von seiner Seite und steckte ihn zu den anderen Habseligkeiten, die sie aus der Wohnung des Diderius geplündert hatte.
Natürlich, als sie vor einem Jahr die Stelle als Küchenhilfe angenommen hatte, war ihre Hoffnung gewesen, einige reiche Offiziere ausspähen zu können, die auszurauben sich lohnen würde. Zeitenwanderer gar, mit ihren magischen Gerätschaften. Dafür gab es einen Markt.
Aber jetzt wurde ihr der Boden zu heiß. Maximus kam. Krieg war nicht gut fürs Geschäft. Es war Zeit, zu gehen, trotz aller mühsamen Vorbereitungen. Da musste reichen, was der Tölpel Diderius ihr bot. Immerhin genug, um sie für einige Monate ordentlich zu versorgen.
Flavia lachte und schob sich eine Haarsträhne aus dem vollen Gesicht.
Männer waren Narren.
Dieser hier hatte sich wenigstens im Bett redlich
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