Kaiserkrieger 5: Die Flucht (German Edition)
Rheinberg musste sich um das Manöver nicht weiter kümmern. Er betrachtete die Kaimauer und sah, dass dort nun eine Ehrenformation Legionäre aufmarschierte. Weitere Soldaten hielten die Schaulustigen unter Kontrolle, die von allen Seiten herbeigeströmt kamen. Von der
Saarbrücken
zu hören, das war eine Sache, aber dieses Wunderwerk dann einmal tatsächlich zu Gesicht zu bekommen, eine ganz andere. Die Nachricht würde sich in Windeseile in der Stadt verbreiten. Rheinberg hoffte, dass die Behörden darauf vorbereitet waren. Sein Blick wanderte die Reihe der Legionäre entlang und er wurde zuversichtlich. Offenbar hatten die Verantwortlichen ausreichende Kräfte zusammengezogen.
Es dauerte eine gute halbe Stunde, dann hatte sich die
Saarbrücken
so weit der Kaimauer genähert, dass die Haltetaue geworfen werden konnten und die Hafenarbeiter, zehn bis fünfzehn an jedem Tau, das Anlegemanöver unterstützten. Nach weiteren zehn Minuten glitt der Kreuzer butterweich an die Mauer heran. Ein perfektes Manöver.
Die beiden Dampfsegler hatten vergleichbare Positionen unweit des Kleinen Kreuzers gefunden. Alles lief problemlos ab. Auch die beiden Neubauten würden früher oder später Schaulustige anziehen, dessen war sich Rheinberg sicher. Vorher aber würde sich die Aufmerksamkeit ganz auf die
Saarbrücken
konzentrieren.
Nun war auch zu erkennen, dass sich zu der Ehrenformation der Legion ein Empfangskomitee von Notabeln gesellt hatte, gut auszumachen an der noblen Kleidung und dem großen Gefolge. Rheinberg kannte hier niemanden, aber er würde diesen Männern ohnehin nicht alleine entgegentreten: Die Senatoren Michellus und Symmachus hatten beschlossen, mit ihm nach Osten zu reisen, ebenso wie Militärpräfekt Renna, der ehemalige Navarch von Ravenna. Die meisten anderen Offiziere aber waren im Westen verblieben, um Kaiser Theodosius bei dessen militärischen Hinhaltetaktik zu unterstützen. Rheinberg hoffte, sich hier in Konstantinopel schnell einen neuen Stab verlässlicher Männer aufbauen zu können.
»Fallreep ist draußen!«, meldete Langenhagen.
»Dann sollten wir unsere Gastgeber nicht warten lassen.«
Rheinberg verließ die Brücke. Am Fallreep hatte sich bereits die Delegation versammelt, die als erste die Stadt betreten würde: Renna, Michellus und Dahms. Der Ingenieur nickte Rheinberg zum Gruß zu. Er sah grau aus, das Gesicht verhärmt. Der Verlust des »germanischen Dorfs« und der Früchte all seiner Anstrengungen hatte ihn besonders tief getroffen. Immerhin, so dachte Rheinberg bei sich, war sein besonderer Schützling Marcellus samt seiner Familie auf einem der Dampfsegler untergekommen.
»Wir gehen.«
Die Männer spazierten langsam über das Fallreep, kamen auf dem Kai an. Das Empfangskomitee hatte sich zeitgleich in Bewegung gesetzt. Angeführt wurde es von einem steinalten Notabeln. Er blieb vor Rheinberg stehen, musste zu dem deutlich größeren Mann aufblicken.
»Ich bin Domitius Modestus, Prätorianerpräfekt des Ostens und Vorsitzender des Konsistoriums«, erklärte er mit fester Stimme, die erstaunlich weit trug. Rheinberg verbeugte sich. Er hatte den höheren Rang, aber Seniorität im Amt wie im Alter wurde in Rom hoch geachtet. Er war der Jüngere, also hatte er Respekt zu zollen.
»Ihr seid Rheinberg«, sagte Modestus, bevor dieser etwas erwidern konnte.
»Das bin ich. Dies hier sind meine Begleiter: Militärpräfekt Renna, Senator Michellus und Magister Dahms aus meiner Mannschaft.«
Modestus ließ auf jedem kurz die Augen ruhen, dann wandte er sich an Renna.
»Eure Schwester ist die Frau des Lucius Graecus.«
Renna beugte seinen Kopf. »Ich hoffe, sie erfreut sich guter Gesundheit. Ich habe sie lange nicht mehr gesehen.«
»Graecus passt gut auf sie auf«, erwiderte Modestus.
Renna hatte Rheinberg von seiner Schwester erzählt, die einen Offizier der Flotte geheiratet hatte und seitdem in Konstantinopel lebte. Rheinberg hatte ihm jede Freiheit gegeben, diese zu besuchen, und ihn von allen Formalitäten entbunden. Renna aber hatte darauf bestanden, zumindest die Begrüßungszeremonie mitzumachen, ehe er sich dezent verabschieden würde. Graecus war, wie Renna zuvor, Geschwaderkommandant im Rang eines Navarchen. Da Konstantinopel aber der Heimathafen fast der gesamten Flotte war, liefen hier zahlreiche Navarchen herum. Wo Renna im Westen noch eine relativ herausgehobene Stellung innegehabt hatte, ging sein alter Freund Graecus im Gewimmel hochstehender Offiziere förmlich
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