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Kaisertag (German Edition)

Kaisertag (German Edition)

Titel: Kaisertag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Henkel
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kurze Berichte zur Lage bitten. Herr Dr. Waldmoser, wenn Sie so freundlich wären, den Anfang zu machen?«
    »Freilich, Herr von Deuxmoulins«, erwiderte der stämmige Joseph Waldmoser mit dunklem, bayerischem Zungenschlag. »Wir dürfen zufrieden sein. Alles entwickelt sich ganz wie vorgesehen, sogar besser. Die antideutsche Stimmung in Großbritannien wird täglich stärker, selbiges gilt auch für Frankreich. Lediglich in Russland läuft es eher zäh, doch das hatten wir ja einkalkuliert. Alles in allem haben unsere Anstrengungen ihr Ziel erreicht.«
    Deuxmoulins dankte Waldmoser und übergab das Wort an Gotthold Poschau, der fahrig in seinen Notizen blätterte und sich mehrmals den Kneifer auf der Nase zurechtrückte. »Auch wir sind überaus zufrieden«, verkündete er, »und ich darf Ihnen mitteilen, dass unser Vorgehen die erwünschten Früchte trägt. Die forcierte Überschwemmung des Weltmarktes mit deutschen Kunstfasern zu Dumpingpreisen hat die britische Textilindustrie in eine geradezu katastrophale Krise gestürzt, und die Baumwollpreise sind auf ein Zwanzigstel des Vorjahresniveaus gefallen. Die Folgen in England und Indien übertreffen unsere Erwartungen bei Weitem. Erlauben Sie mir noch eine Zwischenbemerkung: Wäre es nicht besser, wir schließen die Fenster? Unbefugte könnten doch leicht mitanhören, was wir hier bereden, beispielsweise die Wachen.«
    »Ihre Umsicht gereicht Ihnen zur Ehre, aber Sie können ganz unbesorgt sein«, beruhigte ihn Maximilian Sonnenbühl. »Ich habe ausdrücklich Befehl gegeben, dass heute Nacht niemand in die Nähe dieses Gebäudes kommen darf, auch nicht die Patrouillen. Im Umkreis von hundertfünfzig Metern gibt es keinen Menschen, der uns gewollt oder ungewollt belauschen könnte.«
    Poschau blieb skeptisch, akzeptierte jedoch die Versicherung des Majors.
    Nun war Dr. Erwin Schatz an der Reihe zu sprechen.
    »Anders als meine beiden Vorredner muss ich im Namen der durch mich vertretenen Konzerne Bedenken zum Ausdruck bringen«, sagte er mit kaum verhüllter Unzufriedenheit. »Die Zeit läuft uns davon, unsere Situation verschlechtert sich rapide. Die unerwartete Aufdeckung unserer langjährigen Aktivitäten beim Ankauf amerikanischer Patente hat uns in eine auf Dauer unhaltbare Lage gebracht. Unsere Umsätze in den Vereinigten Staaten sind jetzt schon eingebrochen, und wir erwarten noch schwerwiegendere Folgen. Vermutlich werden wir auf unabsehbare Zeit vom nordamerikanischen Markt verdrängt werden; unsere dortigen Konkurrenten üben bereits erheblichen Druck auf die Regierung in Washington aus. Durch den Einfluss der Vereinigten Staaten in den meisten Ländern Südamerikas werden wir auch dort sehr bald einen schweren Stand haben. Der Verlust dieser Absatzgebiete wird für uns ein Desaster sein, falls uns nicht bald die neuen Märkte offenstehen, die uns versprochen wurden. Daher muss ich ganz explizit fragen: Wann genau beginnt das Unternehmen Hamlet?«
    Deuxmoulins strich sich mit dem Knöchel des Zeigefingers mehrmals über die Lippen und dachte nach, ehe er sagte: »Ihre Frage ist durchaus berechtigt. Einige an diesem Tisch kennen die Antwort bereits, die Übrigen möchte ich um ein wenig Geduld bitten. Wir werden uns unmittelbar im Anschluss dem Unternehmen Hamlet widmen.«
    Dann übergab er das Wort an den weißhaarigen alten Generalleutnant Wangenheim, der wie Otto von Deuxmoulins und Sonnenbühl in Uniform erschienen war.
    Die ganze Art, wie er sprach, war reinstes Potsdam, das Potsdam der Kasernen, Offiziersschulen und Exerzierplätze. Militärisch knapp beschränkte er sich auf die Meldung, im Kriegsministerium liefe alles nach Plan.
    Nach ihm war die Reihe an Friedhelm von Zerflin, einem hageren Mann mit strengem Gesicht. Seine harten, scharf geschnittenen Gesichtszüge hätten auch einem seiner Vorfahren gehören können, die über sechs Jahrhunderte zuvor das Land östlich der Elbe bis hinauf an die Memel mit Feuer und Schwert in Besitz genommen hatten.
    »Stimmung unter meinen Standesgenossen ausgezeichnet«, schnarrte er mit rasselnder Stimme. »Gilt besonders für Ostpreußen und Posen. Gibt dort enorme Abneigung gegen die Russen, die uns die Getreidepreise verderben und die Polacken nicht mehr als Wanderarbeiter zur Ernte rauslassen. Augenblickliche Entwicklung fällt dort auf fruchtbaren Boden. Können wir uns nicht besser wünschen.«
    »Vielen Dank, Herr von Zerflin«, sagte der General und machte sich eine Notiz.
    Dann bat er Adalbert

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