Kaisertag (German Edition)
Grieslich, über die Zustände im Innenministerium Bericht zu erstatten.
»Nun ja«, begann Grieslich unschlüssig, »erst gestern erhielt ich Einblick in die neueste Analyse der Reichssicherheitspolizei hinsichtlich der Haltung der Bevölkerung. Ich möchte Ihnen nicht verschweigen, dass die Ergebnisse durchaus Anlass zur Sorge geben. Das Stimmungsbild ist uneinheitlich, und zwar sehr zu unserem Nachteil. Besonders bei jungen Leuten unter dreißig ist mehrheitlich nur geringe Begeisterung oder gar Ablehnung …«
»Genug, Herr Grieslich, genug!«, unterbrach ihn Deuxmoulins. »Ich denke, wir haben einen Eindruck von dem gewonnen, was Sie uns damit sagen wollten. Und letztendlich ist es ja eines der Hauptziele von Hamlet , diese unschönen Fehlentwicklungen wieder in die rechten Bahnen zu lenken. Herr von Reventlow, was können Sie uns über den kaiserlichen Hof sagen?«
»Nur Gutes, Herr General«, entgegnete der Angesprochene und zupfte sich dabei eine Spitze des gewachsten Schnurrbartes zurecht. »Die kleinen Probleme, die sich jüngst ergaben, konnte ich dank tätiger Unterstützung des Oberhofmarschalls schnell bereinigen. Und wir haben dafür gesorgt, dass Prinz Eitel Joachim in den entscheidenden Stunden weit weg sein wird. Seine Hoheit inspiziert die neuen Panzerautos der thüringischen Kavallerie.«
»Ein Jammer, dass der Prinz nicht zu uns gehört«, bedauerte Dr. Waldmoser.
Doch Sonnenbühl erinnerte ihn: »Sie kennen die Regeln der Puppenspieler: Es werden keine Angehörigen der Herrscherhäuser in unseren Kreis aufgenommen. Es würde unseren Absichten zuwiderlaufen. Das gilt auch und gerade für den Prinzen, der einen zentralen Platz in unserem Vorhaben innehat.«
Alle pflichteten dem Major bei.
Dann fragte Otto von Deuxmoulins den bisher lediglich aufmerksam zuhörenden Yüksel Pascha, ob er auch etwas zu sagen wünsche.
Der Türke, in schwarzem Gehrock und rotem Fez, nahm die dünne Zigarette aus dem Mund und meinte: »Was die Osmanische Republik angeht, so dürfen Sie unbesorgt sein. Der Abscheu gegen Briten und Franzosen ist groß, wenn er auch eher unter der Oberfläche schwelt. Daraus ergibt sich fast zwangsläufig eine starke deutschfreundliche Strömung, die in allen Schichten der Bevölkerung spürbar ist. Sie werden von uns nicht enttäuscht sein. Möge Allah unserer großen Sache gewogen sein.«
»Haben Sie vielen Dank, Exzellenz. Nun würde ich noch gerne erfahren, wie die Dinge in Österreich stehen«, sagte Deuxmoulins zu Aurelian von Kremsier, der gleich links von ihm saß.
»Nun sehn’s, der Einfluss meiner Freunde in Österreich ist nicht zu vergleichen mit ihren beneidenswerten Möglichkeiten«, meinte der Freiherr mit einem Akzent, der gut zu einem Wiener aus einer klischeebefrachteten bunten Operettenverfilmung gepasst hätte. »Aber seien’s ruhig sicher, ’s wird alles so laufen, wie wir uns das ausgemalt haben.«
Deuxmoulins nickte. »Sehr gut, meine Herren. Kommen wir nun zum eigentlichen Anlass dieses Treffens …«
»Einen Moment noch, Herr General«, unterbrach ihn Dr. Schatz. »Mir ist aufgetragen worden, mich zu erkundigen, was genau es eigentlich mit dem Tod dieses Oberst Diebnitz auf sich hat. Bislang erhielten wir hierzu nur höchst unvollständige und teilweise sogar widersprüchliche Informationen. Ich denke, dass dies für alle hier ein Thema von Interesse ist.«
Für einen Augenblick herrschte Stille. Erwin Schatz hatte etwas angesprochen, das alle beschäftigte, aber niemand zu erwähnen gewagt hatte.
»Sie haben ganz recht«, beendete Sonnenbühl schließlich das Schweigen.
»Ich werde Ihnen eine kurze Zusammenfassung geben. Oberst Diebnitz vom RMA war der Sicherheitschef des Instituts. Er gehörte unserem Kreis schon seit vielen Jahren an und war, wie wir meinten, ein überzeugter Anhänger unserer Sache. Durch Zufall erfuhr ich jedoch, dass er den Glauben an unsere Aufgabe verloren hatte, nachdem er in das Unternehmen Hamlet eingeweiht worden war. Er hat einen Versuch unternommen, das Projekt zu sabotieren, aber sein Verrat scheiterte bereits im Ansatz. Daraufhin begab ich mich zu ihm und stellte ihn vor die Wahl: Er solle sich erschießen, damit er keine Gefahr mehr für uns darstelle, oder seine Ehefrau würde sterben, falls er sich weigere. Wie ich vorausgesehen hatte, wählte er den Selbstmord, um seine Frau zu retten.«
»Besteht eine Verbindung zwischen diesem Vorfall und der Aktion vor einigen Tagen?«, wollte von Reventlow wissen.
»Ja,
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