Kaisertag (German Edition)
Kindern, die alle zum Hanseplatz oder in die Altstadt wollten, um später den Festzug zu sehen. Prieß knurrte mit zusammengebissenen Zähnen einen Fluch und lenkte das Auto in die abzweigende Wallstraße, wo er beschleunigen konnte. Kurz darauf kam er auf die Ratzeburger Allee und fuhr sofort weiter in die Nebenstraßen der Vorstadt St. Jürgen. Nur Augenblicke später brachte er den Mercedes mit einer scharfen Bremsung vor Professor Beinfeldts Villa zum Stehen, sprang aus dem Wagen und lief zur Haustür.
Er drückte den Klingelknopf bis zum Anschlag ein, bis er von drinnen endlich Schritte näher kommen hörte.
Die Tür wurde geöffnet, und vor ihm stand Ernst Beinfeldt.
»Ihr Hilfe wird dringend benötigt, Herr Professor!«, sagte Prieß hastig und trat in den Hausflur, noch bevor der perplexe Professor etwas erwidern konnte. »Der Kaiser soll heute getötet werden, mit der Atombombe! Sie sind der Einzige, der das verhindern kann!«
»Können vielleicht. Aber das wird er nicht«, hörte Prieß eine ihm nur zu gut bekannte Stimme hinter sich sagen.
Der Detektiv drehte sich langsam um und sah nun, dass hinter der Tür Maximilian Sonnenbühl stand und eine Pistole auf ihn gerichtet hatte.
»Schön ruhig bleiben und keine unüberlegten Bewegungen machen, Fritz. Du willst doch sicher nicht, dass dein Leben noch kürzer wird, als es jetzt ohnehin schon ist, oder?«, warnte ihn der Major in der grauen Uniform mit einem hässlichen Grinsen.
»Da habe ich dich wohl unterschätzt, Fritz«, meinte Sonnenbühl, während er ein letztes Mal die Knoten kontrollierte.
Solide Paketschnur, mehrfach stramm um Handgelenke und Beine gezurrt, fesselte Prieß an einen Stuhl in der Küche. »Ich weiß nicht, wie du Kronsforde lebend überstehen konntest, schließlich haben dich meine Männer doch eindeutig als tot identifiziert. Ein bemerkenswertes Zauberkunststückchen, aber noch mal gelingt dir so eine wundersame Auferstehung nicht.«
Der Major war mit den Knoten zufrieden. Überzeugt, dass Prieß sich nicht würde befreien können, lehnte er sich an den Küchentisch, auf dem auch der Offiziersdegen des Detektivs lag, und lächelte sarkastisch. »Tja, Fritz, wenn dir irgendwas auf der Zunge liegt, das du unbedingt noch loswerden willst … nur zu. Jetzt hast du die letzte Gelegenheit. Aber beeil dich.«
Mühsam schluckte Prieß einen bitter schmeckenden Kloß im Hals herunter und versuchte angestrengt, ungerührt zu erscheinen. Er setzte einen Gesichtsausdruck mit verächtlich gekrümmten Mundwinkeln auf, von dem er hoffte, dass er zynisch wirkte, und fragte: »Willst du mich jetzt bisschen foltern, damit ich dir verrate, wie ich euch Puppenspielern auf die Schliche gekommen bin und was ich alles weiß?«
Fast gelangweilt antwortete Sonnenbühl: »Nein, eigentlich interessiert mich das alles nicht im Geringsten. In einer Stunde spielt das ja sowieso keine Rolle mehr. Uns kann keiner mehr aufhalten, und du schon gar nicht. Dir sind sozusagen die Hände gebunden.«
Er lachte schallend über seinen eigenen Scherz; Prieß blieb still.
»Also schön«, sprach der Major dann weiter, »freunde dich schon mal mit dem Gedanken an, dass du bald draufgehst. Wenn du Lust hast, mich kräftig anzubrüllen, tu dir keinen Zwang an. Ich habe dafür volles Verständnis, und hören kann dich ja doch niemand – die Fenster sind dreifach verglast, schallisolierend. Lass deiner Wut meinetwegen freien Lauf.«
Prieß hätte ihm wirklich am liebsten sämtliche Beschimpfungen an den Kopf geworfen, die er über die Jahre in St. Pauli und im Hamburger Hafen gehört hatte. Aber er widerstand der Versuchung; denn die Beherrschung zu verlieren, hätte nur einen billigen zusätzlichen Triumph für Maximilian Sonnenbühl bedeutet. Stattdessen nahm er sich zusammen und überlegte, ob es einen Weg gab, dem seines Sieges so sicheren Major irgendwie das Versteck der Bombe zu entlocken. Gleichzeitig suchte er mit unauffälligen Bewegungen der Handgelenke nach einer Möglichkeit, sich von seinen Fesseln zu befreien.
»In Kriminalfilmen bekommt der Schurke den Detektiv auch kurz vor Schluss in die Finger und enthüllt ihm seinen ganzen Plan, um zu demonstrieren, wie gerissen er doch ist«, entgegnete Friedrich betont kühl.
»Ach ja, ich erinnere mich … du warst ja schon früher so begeistert von solchen Geschichten. Kein Wunder, dass du nach dem vorzeitigen Ende deiner Offizierslaufbahn diesen originellen Beruf gewählt hast. Aber das hier ist kein
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