Kaisertag (German Edition)
Scharfschütze? Wo ist die Atombombe?«
»Was die Bombe betrifft«, bemerkte Yvonne Conway, die sich bislang nachdenklich zurückgehalten hatte, »verfügen wir immerhin über einige Anhaltspunkte. Ich bin natürlich kein Experte. Korrigieren Sie mich bitte, wenn mir Irrtümer unterlaufen, Herr von Rabenacker. Die in Südwest-Afrika gezündete Bombe war etwas über zweieinhalb Meter lang, hatte einen Durchmesser von ungefähr achtzig Zentimetern und wog annähernd vier metrische Tonnen. Ich gehe davon aus, dass der Große Kurfürst sich in vergleichbaren Dimensionen bewegt. Die Waffe ist also ausgesprochen unhandlich, schwer zu transportieren und noch schwerer zu verstecken.«
Der Oberst nickte zur Bestätigung. »Völlig korrekt, Miss Conway. Und noch etwas, das von Bedeutung sein könnte: Die in der Wüste getestete Bombe befand sich auf einem achtzig Meter hohen Stahlgerüst. Ich habe gehört, dass wenigstens in der Theorie eine Atombombenexplosion auf Bodenniveau sehr viel ihrer Gewalt einbüßt. Allerdings steht hier kein Stahlturm, und es gibt auch keine anderen hohen Gebäude, in die man diese große Bombe unbemerkt hätte schaffen können. Folglich kann sie nicht weitab versteckt sein, weil die stark verminderte Sprengkraft ausgeglichen werden muss. Dieses Wissen sollte uns die Suche erleichtern.«
»Und wenn wir sie finden?«, fragte Prieß.
Die anderen blickten ihn überrascht an. Als der Detektiv merkte, dass niemand verstand, was er damit sagen wollte, sprach er weiter: »Was tun wir, falls wir die Bombe wirklich finden? Dann müssen wir sie doch entschärfen, ausschalten oder wie immer man das nennen soll. Wer von uns kann eine Atombombe entschärfen?«
Als hätten sie sich abgesprochen, sahen alle auf Yvonne Conway. Doch die britische Agentin sorgte dafür, dass keine falschen Hoffnungen aufkeimten. »Ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten in allen Ehren, aber Sie überschätzen mich«, versicherte sie rasch. »Einen gewöhnlichen Sprengsatz mit Zeitzünder unschädlich zu machen, das hat man mir beigebracht. Aber so eine Höllenmaschine? Ganz ausgeschlossen, dazu benötigt man einen Spezialisten, der …«
Da fiel ihr Alexandra ins Wort: »Aber wir haben ja einen Spezialisten! Und sogar den besten der Welt. Fritz, du hast doch Professor Beinfeldt in seinem Garten angetroffen und mit ihm gesprochen. Er kennt dich, bitte ihn um Unterstützung! Er gehört nicht zu den Puppenspielern, da gibt es ja keinen Zweifel. Und wenn er erst erfährt, wozu seine Erfindung benutzt werden soll, wird er uns helfen.«
»Wir sollen ihn einweihen? Können wir es uns leisten, dieses Risiko einzugehen?«, gab Rabenacker zu bedenken.
»Die Frage ist eher: Können wir es uns leisten, dieses Risiko nicht einzugehen?«, erwiderte die Polizeipräsidentin.
»Ja, Sie haben recht«, gestand der Oberst ein. »Wir müssen uns schnellstens der Unterstützung des Professors versichern, sonst nützt es uns absolut nichts, die Bombe zu finden. Befindet er sich unter den Ehrengästen?«
Alexandra rief sich die Gästeliste, die sie in den vergangenen Tagen oft genug hatte lesen müssen, ins Gedächtnis und ging sie im Kopf durch. Dann schüttelte sie den Kopf: »Nein, er ist nicht eingeladen. Nur Otto von Deuxmoulins, aber der hat sich entschuldigen lassen.«
»Wieso überrascht mich das bloß nicht?«, sagte Prieß trocken. »Also, dann werde ich zusehen, dass ich zu Beinfeldt gelange. Hoffentlich kann ich ihn überzeugen.«
»Sofern er dich nicht einfach für irre hält …« Alexandra zog ihre Autoschlüssel aus der Tasche und drückte sie Friedrich in die Hand. »Nimm meinen Wagen. Denkst du, der Professor ist zu Hause?«
Prieß steckte die Schlüssel ein, ohne zu antworten. Es war auch gar nicht nötig, denn sollte der Professor unauffindbar sein, war es sinnlos, weiter nach der Atombombe zu suchen. Dann bliebe nichts weiter übrig, als Alarm zu schlagen und die Stadt überstürzt zu evakuieren, was entweder dazu führen würde, dass die Puppenspieler den Großen Kurfürsten vorzeitig zündeten oder dass eine Massenpanik entstand, bei der Hunderte niedergetrampelt, zerdrückt, zertreten würden. Der Professor musste einfach zu Hause sein.
»Ich werde auch gehen«, kündigte die Engländerin an. »Mir ist eben jemand in London eingefallen, den ich unter Umständen vielleicht erreichen kann. Er zählt zwar streng genommen nicht zu meinen Kontaktpersonen und leitet zudem eine ganz andere Abteilung. Aber wie mein Großvater
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