Kaktus zum Valentinstag
unter der Bettdecke verkroch, weil ich dem nicht ausweichen konnte. Aber das, was Martina hier beschreibt, ist für mich keine Angst, weil ich doch jederzeit der Situation aus dem Wege gehen könnte.
»Im Endeffekt ließ er durchblicken, dass er momentan daran zweifle, ob ich die Richtige für ihn wäre. Das machte mich alles sehr traurig!«
Traurig, wieso traurig? Das hat sie mir nicht ein einziges Mal erzählt. Wieso steht das jetzt in diesem dusseligen Tagebuch? Also frage ich Martina sofort:
»Du schreibst hier, dass du traurig warst, dass du immer wieder Angst hattest, dass ich dich verlassen könnte. Warum erzählst du mir nicht, dass du traurig bist?«
»Ach, Peter, das merkt man doch. So was sieht man doch!«
»Hä? Woran soll ich das denn merken?«
Sie versucht mir zu erklären, dass man das am Gesichtsausdruck erkennen könne. Am Gesicht kann man meiner Meinung nach nur sehen, wenn jemand traurig ist, wenn er auch regnet, wenn Flüsse die Gesichtshaut hinabfließen, die den Augenhöhlen entspringen. Sonst ist niemand traurig, das glaube ich nicht.
Einige Seiten später lese ich dann Folgendes in ihrem Tagebuch:
»Ich wollte ja nicht, dass er sagt: ›Schwamm drüber, vergessen wir die Sache‹, und die Angelegenheit mit einem Kuss zudeckt, im Gegenteil, die Sache musste genau besprochen werden. Ich wollte nur, dass er nicht mehr so kalt und lieblos zu mir ist. Er strahlte so eine Kälte aus, dass ich richtig fröstelte, er wirkte, als ob er eine Mauer vor mir runtergelassen hatte, unüberwindlich, völlig verschlossen vor mir, und da kam ich nicht ran.«
Das Lesen ihres Tagebuches ist anders, als irgendein Buch zu lesen. Denn hierbei handelt es sich um »stories behind the scenery«, die mir so noch nie klar geworden sind. Eine völlig fremde, andere Welt des Erlebens. Oh wie schrecklich muss das Leben sein, wenn man immer Angst hat, immer gleich traurig ist, nur weil es unangemessen wörtert! Dagegen bin ich anscheinend völlig immun. Und wirke deswegen also oft herzlos, gefühllos, obwohl ich alle Gefühle haben kann, die ich als Wort kenne.
Das alles sind Dinge, die meine bisherige Weltsicht über die Menschen in ihren Grundfesten erschüttern. Dinge, die mir auf eine nie vorher da gewesene Art offenbaren, was im Kopf von Martina vorgeht, dazu viele Dinge über mich und meine Wirkung auf sie, die mir so noch niemand im Leben gesagt hat. Dinge, die Martina bewegen, ja förmlich um ihren Verstand bringen, sind Dinge, die ich für völlig unwichtig und irrelevant hielt.
Ich erstarre innerlich. Dann bin ich kein Mensch wie die anderen. Nur ein Wesen in einem menschlichen Körper. Ein getarnter Außerirdischer sozusagen. Wie ich mich ja kurioserweise, ohne zu begreifen, warum, seit frühester Kindheit auch fühle. Seltsam. Alles sehr, sehr seltsam.
Ich ahne, dass ich soeben begriffen habe, warum viele Menschen mit mir ein Problem haben. Menschen, die allesamt offensichtlich gänzlich anders funktionieren als ich. Ja, nicht einmal von den Papamamas habe ich das erfahren. Die haben sich auch nur gewundert und sich dabei vieles zusammengedacht, was dann falsch war. Die Diskussion der Tagebucheinträge mit Martina zeigt, dass ich nicht nur etwas anders bin, so wie jeder Mensch ein Individuum ist, sondern auf irgendeine einzigartige Weise eine gänzlich andere Emotionsverarbeitung habe.
Um mit Martina dauerhaft glücklich zusammen sein zu können, so wie das eben in all diesen Liebesfilmen im Fernsehen immer gezeigt wird, muss ich verstehen, wie sie tickt und wie alle anderen Menschen ticken. Mir ist, als hätte ich soeben eine ganz, ganz wichtige Passstraße in meinem Leben erklommen. In meinen Ohren erklingen die Winnetou-Melodien von Martin Böttcher. Musik, die in mir immer dann ertönt, wenn ich mich irgendwo auf einem Pass befinde und sich eine ferne Sicht auf das weite Land bietet, auf unbekanntes Land.
Dunkle, helle Sternzeiten
Draußen dunkelt es immer mehr. Wie jedes Jahr zu Beginn des Winters zeigt sich der Orion immer früher tief am Osthorizont. Zeit, mein tragbares Spiegelteleskop mal wieder zu aktivieren. Dann kann ich meinem Gnubbelchen den Himmel mal etwas genauer zeigen. So erkläre ich ihr den ganzen sichtbaren Sternenhimmel, zeige ihr den noch am frühen Abend auffindbaren Andromedanebel. Für viele andere Objekte reicht die Vergrößerung meines Hobbygerätes leider nicht aus.
Auch erkläre ich ihr, dass es meiner Meinung nach nie einen Urknall gegeben hat. Dass dieser
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