Kaktus zum Valentinstag
Linie. Schließlich reiße ich die papierne Tarnung runter.
Während ich viel Geld ausgegeben habe, hat Martina gearbeitet, um ein Geschenk herzustellen. Von ihr bekomme ich einen Kalender für das nächste Jahr, den sie selbst gebastelt hat. Er zeigt jeden Monatein von ihr gemaltes oder gestaltetes Bild, das ein Kapitel unserer Freundschaft zeigt. Darunter sind viele Dinge, die wir schon gemeinsam erlebt haben, und Dinge, die noch kommen sollen, wie zum Beispiel die Sterne, das Fahrradfahren oder das Genießen von Aussichtspunkten.
Damit hat mein Gnubbelchen eigentlich ein viel schöneres Geschenk in den Geschenkewald unterm Weihnachtsbaum gepflanzt. Es ist unser Geschenk. Meine Strategie, Erinnerungen zu schenken, hat sich auch hier voll niedergeschlagen. Ich bin auf dem richtigen Weg. Wir kommen zueinander! Alles ist wundervoll!
Das Drama mit den vierzig Küssen
Nach Weihnachten kommt es erneut zu einer Krise. Bei meinen Papamamas steht ein Doppelbett im Gästezimmer. Das nutzen wir natürlich. So schlafen wir miteinander, nebeneinander im Bett – ohne Sex, versteht sich. Zumindest von meiner Seite. Denn wir sind ja noch nicht verlobt, geschweige denn verheiratet.
Martina versucht, sich immer deutlicher an mich heranzudrücken. Das kann ich überhaupt nicht haben. Dann kann ich nicht schlafen. Wenn ich im Bett liege, dann zum Streicheln oder zum Schlafen. Jedenfalls war das bisher so. Bisher haben wir pro Tag, an dem wir uns sahen, drei bis fünf Küsse ausgetauscht. Und wir haben uns gestreichelt, Martina mich mehr als ich sie, weil ich, wie ich ihr immer wieder sage, »immer dauergestreichelt werden muss«.
Seit einigen Tagen schlafen wir also auch nebeneinander liegend ein. Ein altes, unter Liebenden gemeinhin übliches, aber für mich neues Ritual soll eingeführt werden: Der Gute-Nacht-Kuss. Den hat es ganz früher von der Locken auch öfter gegeben, aber wenn er schmatzig und feucht war, mochte ich ihn nicht. Ich konnte also gut und gerne darauf verzichten.
Irgendwie liegen nun Schwingungen in der Luft, die nach diesem Gute-Nacht-Kuss verlangen. Und ich weiß auch, woran das liegt. In den einschlägigen Liebesfilmen im Fernsehen gab es auch immer Gute-Nacht-Küsse. Da ich, bevor ich ihr einen Kuss geben kann, noch meine innerliche, sich türmende Mauer überwinden muss, komme ich zu spät.
Martina beugt sich mit ihrem Kopf über mich und küsst mich. Ohne Vorwarnung. Ich bin völlig überrascht und lippenstarr. Das Einzige, was ich in dieser Situation aus mir rausbringe, ist: »Iiiihhh, deine Zähne kitzeln!« Ja, da war kein Kuss, da war dieses Gebiss aus Zähnen, das sich an meinen Lippen rieb und sich gewaltsam Zugang zu meinem Mund verschaffen wollte.
Der missratene Kuss endet in einer Gute-Nacht-Diskussion, in der ich schließlich nach den Kuss-Anforderungen frage, die sie mir so noch nie mitgeteilt hat:
»So oft wie du schon von mir gestreichelt worden bist, musst du da mal was nachholen. Aber vor allem muss ich geküsst werden. Du hast mich bisher viel zu wenig geküsst. Ich muss geküsst werden, um glücklich zu sein!«, betont sie.
Ja, glücklich soll doch meine Frau sein. Das ist doch Teil der Liebe. Aber misst man Liebe nun auf einmal an der Anzahl der Küsse? Auf die Qualität kommt es doch an. Oh, halt, das ist ein Eigentor. Gemäß Martinas Tagebucheintragungen sollen meine Küsse ja nicht besonders leidenschaftlich sein, sie sind also auch noch nicht einmal gut. Was mach ich bloß?
Nach längerem Nachdenken komme ich zu dem Schluss, zunächst an der Quantität zu arbeiten und über das Üben so zur Qualität zu finden! So frage ich sie:
»Wie viel Mal soll ich dich denn nun pro Tag küssen?«
»Vierzig Mal?!«, sagt ihre Stimme ganz hell. Irgendwie liebevoll klingend. Uff, wie soll ich das denn schaffen? Vierzig Küsse. Jeden Tag. Ich weiß allerdings nicht, ob das nun eine Aufforderung oder eine Frage ist. Dass das mit dem Verlieben so läuft, hat aber kein Film im Fernsehen gezeigt. Vierzig Küsse hat da aber niemand seiner Freundin gegeben. Oder doch? Die zeigen ja auch nicht, wenn jemand aufs Klo muss und so weiter. Und zu Hause? Die Papamamas haben sich zeit meines Lebens niemals sichtbar vierzig Mal am Tag geküsst, auch nicht im Urlaub. Spinnt die nun oder ist das wirklich so, wenn man eine Freundin auf Dauer haben will?
Ich schnappe ihre Wange und schmatze gleich vier, fünf Mal hintereinander.
»So, zählt das jetzt als ein Kuss oder als fünf Küsse?«
»Na ja,
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