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Kaktus zum Valentinstag

Kaktus zum Valentinstag

Titel: Kaktus zum Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Schmidt
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mir. Ich schaute immer durch den Raum aus den Fenstern. Weil ich da raus wollte.
    »Taler, Taler duhu muhusst wandern, von der einen Hahand zuhur andern! Das ist schön, das ist schön! Taler, lass dich nur nicht sehn!«, sangen wir damals alle zusammen im Stuhlkreis mit der Tante Feldmeier, während ein Groschen hinter dem Rücken aller Kinder weitergegeben wurde. Es war eines der wenigen Stuhlkreisspiele, die ich damals wirklich mochte. Das Lustige und für alle sehr Merkwürdige an diesem Spiel war nämlich, dass niemand herausbekam, wenn der Taler bei mir blieb. »Weißt du, du kuckst immer gleich!«, oder: »Du kuckst immer wie ein Auto!«, hieß es.
    Man lobte mich für mein versteinertes Gesicht. »Wie machst du das bloß?«, wollte damals die Tante Feldmeier wissen. Warum das so war, ist bis heute ein ungelöstes Rätsel! Daher wurde ich auch fast nie das Kind, das raten musste, wo denn der Taler gerade war. Aber als es einmal hieß: »So, jetzt, Peter, bist du mal am Anfang derjenige, der herausfinden muss, wo der Taler ist!«, da verlor ich allen Spaß am Spiel, denn das dauerte so lange wie bei keinem anderen Kind zuvor. Ich zitterte am ganzen Körper, eben war ich noch der große Gewinner, jetzt der totale Versager!
    Und ich muss wieder an das helle Zimmer, die Loggia in Gettorf, denken. Wo ich im Zeichen der hellen Kinderstimmen im Fernsehen an meinem Leben verzweifelte. Diese unsagbare, schier unüberwindliche Mauer. Die wie eine gewaltige, weiße, eisige Gebirgswand vor mir lag. Und ich muss an Frau Vogt denken, die sich alle Mühe gab, mich in ostpreußischer Flirtkunde zu unterrichten.
    Heute bin ich zwar jenseits der großen, weißen, emotionalen Mauer. Aber auch wieder nicht. Denn es tauchen immer wieder neue Gebirgszüge auf. Die Mauer, sie ist immer und überall, mal höher, mal niedriger, aber sie ist immer noch da. Was verdammt noch mal ist diese Mauer?

La pagaille complête
    Damit ich Meetings auch in Französisch verfolgen kann, schickt mich mein Arbeitgeber zu einem Französischseminar. Es ist ein Crashkurs, der in einem Hotel im Bergischen Land bei Köln stattfindet. Aufgrund meiner Vorkenntnisse steige ich in ein fortgeschrittenes Modul des Kurses ein. Unterrichtet wird auf eine Weise, die meine Synästhesie voll nutzt. Sie nennen es die »Suggestiv-Methode«.
    In diesem Seminar lernen wir auch jede Menge Redewendungen wie zum Beispiel »Mettre les pieds dans le plat« oder »Parler de la pluie et du beau temps« wie Satzvokabeln. Für mich ist es merkwürdig, ineiner fremden Sprache solche Redewendungen schneller zu beherrschen als in der eigenen Sprache. Deutsch hätte ich am besten auch so lernen sollen, denke ich mir.
    »Ins Fettnäpfchen treten« heißt die eine Satzvokabel, »Small Talk machen« die zweite. Es sind gerade diese beiden, die mich seltsam berühren. Zu jeder Redewendung sollen wir ein passendes Bild malen. Über diese Bilder gelingt es mir, diese Redewendungen sofort zu behalten und mir einzuprägen, für immer.
    Mit Memory-Spielen und dem lustigen »Onkel-Otto-sitzt-in-der-Badewanne«-Spiel, bei dem jeder auf einem gefalteten Zettel Wörter hinzufügen muss, so dass sich ganz lustige Sätze ergeben, macht das Lernen der Sprache richtig viel Spaß. Keine dieser theoretischen Unterrichte aus der Schule kann da mithalten.
    Das Finale des Trainings besteht darin, das Gelernte anzuwenden. Dazu sollen wir uns ein Theaterstück ausdenken und vorspielen. Auf Französisch natürlich. »Il faut se débrouillier«, echot es in mir. »Man muss sich da irgendwie durchwurschteln.« Es ist unfassbar, ja, ich denke bereits in Französisch.
    Theaterspielen, das bedeutet, in die Rolle eines anderen Menschen zu schlüpfen. Das ist etwas, das ich eigentlich nicht kann, es sei denn, es ist eine Rolle, die mich interessiert. Wir Seminarteilnehmer sollen experimentieren. Lustig und lehrreich soll es sein!
    Die Redewendungen und deren Fehlinterpretationen sollen das Ganze würzen. Unser Theaterstück heißt »La pagaille complête« und handelt vom Chaos vor dem Traualtar. Ich entscheide mich für eine Rolle, die ich schon immer mal ausprobieren wollte. Die Rolle eines Schwulen.
    Dennoch kostet es mich zunächst jede Menge Überwindung, das zu spielen, was die Gruppe inhaltlich für mich auserkoren hat. Eine Geschichte vom ersten Dating bis hin zur schwulen Hochzeit. Und das alles noch in französischer Sprache. Ich versuche aus mir herauszukommen, meine innere Mauer zu überwinden.
    Ich

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