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Kaktus zum Valentinstag

Kaktus zum Valentinstag

Titel: Kaktus zum Valentinstag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Schmidt
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Stille Nacht reicht es.
    Terrassenmöbel dienen als provisorischer Essbereich in der ansonsten noch möbelleeren Stube. So haben wir genug Platz, um an Weihnachten aus unserem Wohnzimmer einen Tanzsaal zu machen. Zu Rocking around the Christmas tree fetzt Weihnachten richtig los. Und Rudolph, the red-nosed reindeer , eines meiner Lieblingsweihnachtslieder, fehlt natürlich auch nicht. Außerdem erzählt der Song eine Geschichte, die irgendwie ganz weit entfernt auch etwas mit mir zu tun hat.

Nostalgie in der Fremde
    Das neue Jahr hat begonnen, die ersten Tage im eigenen Haus vorbeien viel zu schnell. Ich sitze im Auto. Die Alleebäume der grüngelben B 444 ziehen rechts und links vorbei. Ich bin auf dem Weg nach Frankfurt. Auf der Straße nach Süden. Denn die Arbeit, die liegt nach wie vor dort.
    Natürlich fehlt die passende Filmmusik nicht. John Denver singt mich durch den alten Kassettenrekorder im Auto an: Country roads liefert genau die Verstärker für jene Emotionen, die gerade in mir aufsteigen. Ich bin T-T-T, obwohl ich gerade den Moment erlebe, alles, was ich mir erträumt hatte, erreicht zu haben.
    In Frankfurt angekommen, steigert sich das Jahr in den neuen Alltagsablauf rein. Frankfurt – Paris – Gadenstedt. An den drei Orten findet fortan das Berufsleben statt.
    Ein Zimmer wie damals als Student habe ich mir gemietet. In einer Arztvilla, in der die Zeit stehen geblieben ist. Dort wohnen die alte Vermieterin und zwei weitere Bewohner. Fortan verbringe ich dort bis zu drei Nächte in der Woche, ansonsten bin ich zu Hause. Dort habe ich mir extra einen eigenen Dienstraum geschaffen, mein Homeoffice, wenn ich nicht gerade nach Paris muss.
    Ich werde in Gadenstedt das wärmere und sturmärmere Wetter des Oberrheintalgrabens vermissen, aber dafür Ruhe bekommen. Ein Haus oder Grundstück im Rheintal südlich von Frankfurt zu finden, das ruhig, großzügig und bezahlbar ist, ist wie eine unlösbare Gleichung. 1 + 1 ist 2 und wird niemals 3.
    In Frankfurt, in diesem zeitweise genutzten Fremdenzimmer, da fühle ich mich nun wie ein Gastarbeiter, wie einer, der zurückgeblieben ist. Wie einer, der wieder an die Front muss. Weil dort zwar gute Jagdgründe liegen, aber kein Ort zum Wohnen und Wohlfühlen nach meinen Vorstellungen existiert.
    Ich habe nun tatsächlich meine Jugendpläne umgesetzt. Haus, Hof, Familie, Reisen um die Welt, alles habe ich geschafft. Das alles sindDinge, die ich größtenteils selber in der Hand habe. Wo ich die Regie übernehmen kann, wo ich bestimmend gestalten kann.
    Doch im Berufsleben tritt Stagnation ein. Einst wurde ich als Mensch mit genialen Ideen angesehen, und jetzt geht es in diese Richtung nicht wirklich weiter.
    In der alten Arztvilla gibt es immerhin einen Gemeinschaftsraum. Darin stehen ein Fernseher und sogar ein Klavier. Auch hier ist die Zeit stehen geblieben. Uralter, knarrender Bretterfußboden, alte Bilder an den Wänden. Kringeltapeten, wie sie früher mal üblich waren. Ein ganz klassisch nostalgisches Mustertapetenzimmer.
    Dann entdecke ich Bücher, in denen lauter Noten stehen. Für das Klavier. Ich frage die Vermieterin, die übrigens wie Frau Vogt auch aus Ostpreußen kommt, ob ich denn das Klavier überhaupt benutzen dürfe. »Ja, selbstverständlich, Herr Dr. Schmidt!«, sagt sie. »Gerne dürfen Sie das. Ich freue mich über Hausmusik!« Doch leider bin ich ja weder des Klavierens noch des Singens mächtig. Immerhin kann ich Noten lesen, aber beim Tönetreffen hapert es nun einmal. Man nennt mich daher unmusikalisch.
    Beim Blättern in einem mit bunten Kinderzeichnungen illustrierten Liederbuch halte ich auf einmal inne. Ich starre auf die Seite mit dem geldlichen Kinderlied Taler, Taler du musst wandern!
    Und dann muss ich wieder auf diese Mustertapetenwände starren, die hier genauso aussehen wie damals zu Hause bei Oma, als ich im Kindergarten war. Alte Erinnerungen poppen auf einmal in mir hoch. Ich höre meine einst helle, hohe Kinderstimme. Und ich höre die hellen Kinderstimmen, die ich bei Frau Vogt in ihrer wintergartenartigen Eckbankloggia hörte.
    Seit meiner Kindergartenzeit sind viele Jahre vergangen. Mir wird klarer als jemals zuvor: Du warst nie so ein Kind, wie es hier im Liederbuche steht. Du warst immer ganz anders. Und auch dieses Lied ließ einige merkwürdige Erinnerungen zurück. Rätselhafte Dinge. Ich sehe zurück auf unseren damaligen Stuhlkreis. Wie wir Kinder vor der großen Ziehharmonikawand saßen. Diese Wand lag hinter

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