Kaktus zum Valentinstag
habe einerseits sichtlich Spaß an der Sache, weil Missverständnisse, wie ich sie im Alltag erlebe, Teil des Programms sein sollen. Dennoch spiele ich krampfartig und viel zu rational. Dabei sehe ich, wie den anderen ihre Rollen sanft und fröhlich von den Lippen gehen, während ich mich noch als viel zu polterig wahrnehme. Es dauert während der Proben lange, bis ich mich der Situation hingeben kann.
Am Ende sieht sich der katholische Pfarrer vor einer anstehenden Schlange von Paaren, die er kirchlich trauen soll, darunter mich mit meinem Partner. Was für eine irrationale Situation. Und wenn der Typ nicht so viele Haare am Fell gehabt hätte, wäre er vielleicht auch im echten Leben anfassbar gewesen. Aber es ist ja nicht das »real life«!
Da wird mir wieder bewusst, wie rational meine Entscheidung war, sich gezielt nach einer Frau zu orientieren. Ich glaube, ich hätte genauso gut ein schwules Leben führen können, wenn der »Richtige« gekommen wäre. Er kam aber nicht. Wer weiß, wozu es gut war. Es scheint für dich nicht vorgesehen zu sein, sage ich mir.
Als ich wieder nach Hause komme, halte ich den Wagen an und bleibe einfach darin sitzen. Ich schaue auf unseren schönen grünen Garten. Der Anblick ist wunderschön, aber ich bin T-T-T. Irgendetwas liegt in der Luft. In dem Französischseminar tobte das Leben, ein Leben voller Satzvokabeln war das. Und diese Satzvokabeln habe ich dort so gelehrt bekommen, wie ich mir das in Deutsch zeitlebens auch gewünscht hätte. Aber in Deutsch musste ich dafür immer erst ins Fettnäpfchen treten. Es zieht wieder ein seltsames Gefühl bei mir ein. Irgendetwas ist nicht so, wie es sein müsste. Das spürt auch die Mau, als sie kommt und fragt:
»Was ist denn los?«
»Bitte lass mich einfach noch hier sitzen!«
Die Locken beobachtet die Szene. Auch sie kommt auf mich zu und fragt:
»Peter, was ist denn?«
»Ich bin krank!«
»Du spinnst!«
Ich schweige.
»Was hast du denn?«
Ich schweige weiter.
»Wer so erfolgreich ist wie du, ist bestimmt nicht krank!«
»Erfolgreich nennst du das. Okay. Die Kohle ist nicht schlecht, die Stelle auch nicht, aber da hätte eigentlich noch ein bisschen mehr sein müssen!«
»Was willst du eigentlich noch, du hast mehr erreicht als dein Vater, du hast Haus, Hof, Frau, glückliche Kinder, ein Paradies auf Erden!«
»Ich will nicht mehr leben – wenn sich in nächster Zeit nichts Grundlegendes ändert, ich glaube, dann höre ich auf. Dann ist mir alles egal.«
»Ich glaube, dir geht’s zu gut! Bei DIR stimmt irgendetwas nicht. Du bist gesund, verdienst gutes Geld! Was willst du denn noch?«
Das ist interessant. Bei DIR stimmt irgendwas nicht. Ich kontere:
»Eben, du sagst es. Bei mir stimmt irgendwas nicht! Endlich hast du’s begriffen! Irgendetwas stimmt nicht.«
»Das sind die Nerven, von der Autobahnfahrt!«
»Nein, da ist was – und ich werde es finden oder bald sterben, aber das hier ist kein Zustand mehr! Ich komme nicht weiter, weil ich irgendetwas nicht habe, was ihr alle habt!«, brülle ich voller Verzweiflung in den Garten.
Stille. Dann fahre ich fort:
»Im Hotel, beim Seminar, da herrschte eine Atmosphäre, die schön war und doch eigenartig. Bei dir fehlen Basics, hat man mir mal gesagt. Schon Raphael kann Dinge besser, als ich sie jemals konnte. Ich komme mir vor wie ein einbeiniger Krüppel, der es irgendwie mittels Intelligenz geschafft hat, beim Hundertmeterlauf doch noch einigermaßen mitzuhalten, aber dann fertig ist.«
»Dir fehlt irgendwie ein bisschen das Menschliche. Andere sind immer so herzlich. Da musst du noch viel an dir arbeiten!«
Schon wieder diese abgedroschene Leier mit dem Menschlichen. Ich würde es ja liebend gerne bieten können, aber das ist es ja gerade, was ich nicht habe und wohl auch niemals haben kann.
Die Mau hat es mittlerweile akzeptiert, dass ich weder sie noch die RaRas trösten kann, wenn sie mal Probleme haben oder traurig sind. Ganz abgesehen davon, dass ich das ja oft auch gar nicht mitbekomme. Denn das müssen die RaRas mir schon erzählen, was sie allerdings selten machen.
So gerne ich mir Kinder gewünscht habe, so oft bin ich auch verzweifelt. Dass ich kaum jemanden emotional betreuen kann, ist schon schade. Und der Kinderwunsch konkurriert mit dem Wunsch nach Planbarkeit des meist immer gleichen Tagesablaufs. Sobald die RaRas den durcheinanderbringen, droht Chaos. Manchmal kommt es dann auch zu einem Vulkanausbruch.
Erst im Laufe der Zeit erkennen wir
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