Kaktus zum Valentinstag
Konflikten Lösungen zu finden, die keine Verlierer hinterlassen.
Über die Jahre hat es sich aus Effizienzgründen gefestigt, dass die Mau sich um die Hausarbeit kümmert. Waschen, Bügeln, Essenmachen, Staubwischen und Einkaufen zählen zu ihrem Aufgabenspektrum, während ich mich sozusagen um alles kümmere, was nach außen wirksam ist. Dazu gehört das Geld zu verdienen, das Planen von Reisen, Informationen einzuholen, Strategien zu erarbeiten und Ziele zu setzen und zu verfolgen. Ich bin sozusagen eine Art Außenminister, während die Mau unser Finanzminister ist. Sie führt das Haushaltsbuch und wacht darüber, in welchen Kostenarten und Kostenstellen das verdiente Geld verbraucht wird. Und da sie dort den Überblick hat, kümmert sie sich auch um die alljährliche Steuererklärung. Darüber hinaus hält sie mir den Rücken von allem sonstigen Papierkram frei. Außerdem sichtet sie für mich alle Mails, so dass ich mich nur noch um diejenigen kümmern muss, die persönlich, dringend oder wichtig sind.
So sitze ich zu Hause mal wieder am privaten PC, als ich Hörzeuge des folgenden Gesprächs werde:
»Warum muss Papa eigentlich hier immer nackt herumlaufen?«, fragt Ramona die Mau, wobei ich gerade wieder einmal klamottenlos am gemeinschaftlichen Wohnzimmerschreibtisch sitze.
»Frag ihn das doch einfach mal selbst«, höre ich vom Sofa herüber.
Doch die Frage kommt nicht. Stattdessen sagt die Mau zwei Stunden später, als die Tochter bereits ins Bett gegangen ist, zu mir:
»Peter, schön ist das für Ramona nicht, dass du hier oft nackig rumläufst. Die kommt jetzt langsam in die Pubertät. Und sie findet das einfach nur peinlich!«
»Wer wollte denn damals unbedingt den Würfel bauen, damit wir als Familie zusammenwachsen und nicht jeder sich auf sein riesiges Zimmer zurückziehen kann? Ich habe heute nur dieses firmenartige Arbeitszimmer da oben, das ist kein Aufenthaltsraum. Ich habe in diesem Haus sozusagen kein eigenes Zimmer. So wie früher bei meinen Eltern. Da war ich in meinem Zimmer oft nackt, und wenn ich das verlassen habe, habe ich mich angezogen! Wenn das jetzt hier auf einmal nicht mehr gehen soll, dann würde das bedeuten, dass ich mich in meinem eigenen Hause nicht mehr wohlfühlen kann!«
»Ja, aber deine Tochter fühlt sich auch nicht wohl, wenn du hier so rumläufst.«
»Die kann ja auf ihr Zimmer gehen, wie gesagt, ich habe hier kein eigenes Zimmer und deshalb ist dieses Wohnzimmer hier mein Zimmer! Und da möchte ich auch weiterhin so sein können und dürfen, wie ich möchte. Basta!«
Ein Kompromiss ist so schnell nicht möglich, da müsste ich erst drüber nachdenken. Daher erinnere ich alle daran, dass jeder sich verhalten kann, wie er will, solange es andere nicht stört. Und ich bin schon immer nackt rumgelaufen, und es hat bisher niemanden gestört.
Es hat mich noch nie wirklich interessiert, was andere Leute über mich denken. Wenn ich mir solche Gedanken gemacht hätte, wäre ichnie mehr glücklich geworden. In einem Seminar sollten sich die Teilnehmer absichtlich mal in eine peinliche Situation begeben, um zu üben, sich zu überwinden. Als das Gespräch auf mich kam, hieß es: »Sie brauchen diese Übung nicht zu machen, Sie sind ja schon eine einzige Peinlichkeit!«
Immer wieder brauche ich dringend Auszeiten von den anstrengenden Menschen, und diese anscheinend auch von mir. So wie ich oft der »Elefant im Porzellanladen« sein soll, so treten die Menschen in meinem Porzellanladen nicht selten wie eine ganze Elefantenherde auf! Und daher brauche ich Abstand. Zeit, in der sich der Magmaspiegel in meinem Innern wieder senken kann.
Und am besten finde ich zurück zur Erträglichkeit, wenn ich wieder einmal das erleben kann, was mir Spaß macht. Als ich der Mau von den tollen Pagodenlandschaften in Myanmar erzähle, ist sie sofort begeistert. Wenige Monate später sitzen wir im Flieger. Mit im Gepäck sind die Pläne A, B, C, D, E und F und damit meine geplante Flexibilität.
Schon aus der Luft wirkt das Land da unten, Myanmar, still und naturbelassen. Es sind kaum geordnete Strukturen auszumachen, keine großen Verkehrsadern, keine Felder mit geraden Begrenzungslinien, stattdessen wirkt alles ungeplant und wild gewachsen. Mittendrin leuchten die solitär stehenden, gold- und weißfarbenen Pagoden wie Sender in den Himmel, die wohl eine Verbindung zwischen Gott und den Menschen herstellen sollen.
Wir erleben die heiligen buddhistischen Stätten nacktfüßig. Es ist
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