Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
aussehen, als sei Bäumer sein Mörder. Eifersucht, Nebenbuhler, Untreue, Mord und Selbstmord – ein ganz großer Opernstoff mit Frau Kraic in der Hauptrolle. Als ich ihr sagte, dass wir den Bäumer für den Mord an ihrem Gatten büßen lassen würden, war sie hin und her gerissen – sie konnte ihn retten, indem sie mir den Brief mit Kraics Geständnis zeigte – aber damit verzichtete sie auf die halbe Million aus seiner Lebensversicherung. Oder sie entschied sich für das Geld und gegen Bäumer, der sie liebte …«
Heinz nahm sich jetzt auch selbst ein Bier. »Wirklich tragisch!«, sagte er und trank.
»Im Grunde hast du mich auf die richtige Spur gebracht!«, sagte Albrecht.
»Ich?«
»Du hast erwähnt, dass der Kraic dich angepumpt hat, um seine Versicherungsprämie zu bezahlen. Das hat mich auf die Spur gebracht. Ich habe mich gefragt, warum ihm das so wichtig war – und nicht die Weihnachtsgeschenke für seine Kinder.«
»Wieso warst du so sicher, dass der Kraic diesen Abschiedsbrief hinterlassen hat, in dem er seiner Frau genau erzählt, wie er sich umbringen wird?«, fragte Heinz.
»Das war ein bisschen geblufft«, sagte Albrecht selbstkritisch. »Aber als dramatischer Effekt passte der Brief genau zu Kraics Wesen als Opernsänger. Er musste einfach seiner Frau im Tod noch einen ganz großen Gefühlsschock versetzen … indem er sie vor das Dilemma stellt, das Geld zu nehmen oder ihren Liebhaber zu verraten.«
»Schau mal«, zeigte Heinz in Richtung Theaterplatz. Sie sahen den Oberspielleiter durch die Gänge des Weihnachtsmarktes heranirren.
»Ah, hier sind Sie ja!«, rief der Theatermann Kommissar Albrecht zu. »Man sagte mir, dass ich Sie hier finde. Der Bäumer ist ziemlich erleichtert, dass der Verdacht gegen ihn ausgeräumt ist. Bitter, was der Kraic da für eine Intrige gegen seinen Bühnenpartner in die Welt gesetzt hat.« Er wedelte mit einem Brief. »Natürlich, er hatte Existenzängste, das Geld war knapp, er hatte mich um eine Festanstellung angefleht, aber die konnte ich ihm wegen der prekären finanziellen Verhältnisse hier in Hagen wirklich nicht geben. Aber er hat einfach die Hoffnung zu früh aufgegeben.« Er wedelte wieder mit dem Brief. »Das kam gestern mit der Post.«
»Deutsche Oper Berlin!«, las Albrecht den Briefkopf.
»Sie haben dem Kraic einen Festvertrag angeboten. Er wäre mit einem Schlag alle seine Sorgen losgeworden. Ein grandioses Weihnachtgeschenk.«
Für die barbusigen vier Musen hatte er keinen Blick, als Albrecht auf seinem Nachhauseweg am Hauptbau des Theaters entlangging. Hagen war wie ausgestorben. Es war kalt geworden, der Himmel sternenklar. Die Volme führte kaum Wasser. In der Ferne hörte er ein Weihnachtslied, das zunehmend lauter wurde. Ein Autoradio? Der Wagen kam näher. Albrecht trat drei Schritte vom Zebrastreifen zurück. Sein Blick ging zum Himmel.
Fiel da etwa eine glühende Sternschnuppe herab und verbrannte die ganze Erde?
Wie hatte Heinz eben noch die neue Entwicklung im Fall Kraic kommentiert: Große Oper Hagen!
Silvester
An Silvester schaut man traditionell Dinner for One, die Fernsehaufzeichnung eines Sketches aus dem Jahr 1963. »The same procedure as last year?«, fragt Butler James, der in einem übermenschlichen Re-Enactment sämtliche vier verstorbenen Freunde der neunzigjährigen Lady Sophie beim Geburtstagsdinner darstellen muss. Der Satz könnte auch programmatisch über Silvesterpunsch stehen, der Silvesterepisode 1973 aus der Serie Ein Herz und eine Seele, die langsam dem Dinner for One den Rang als Silvesterkultprogramm abläuft. Wenn ›Ekel Alfred‹ Heinz Schubert sich erst mal die Füße in der Schüssel der Silvesterbowle wäscht, ehe die Feier losgeht – das hat schon viel von der Komik, durch die in den letzten Jahren Rita Falks Krimis mit dem bayerischen Dorfpolizisten Franz Eberhofer zum Kult wurden. Deshalb wurde mit Rita Falk ein Experiment gewagt und Franz Eberhofer in Ekel Alfreds Heimat nach Gelsenkirchen eingeladen …
Rita Falk
Ein Bayer in Gelsenkirchen – Wie der Eberhofer auf die Himmelshalde kam
Geschlagene zwei Stunden und vierzig Minuten bin ich mit der Susi jetzt schon beim Einkaufen. Genauer gesagt, beim Shoppen, wie sie es nennt. Ein Partykleid muss her, koste es was es wolle. Weil morgen Silvester ist und da muss man ja schließlich gut ausschauen, sagt die Susi. Dabei gehen wir sowieso bloß auf ein oder zwei Bier zum Wolfi rüber. Aber meine Susi, die will halt trotzdem gut
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