Kalendarium des Todes - Mord am Hellweg VI
Dann wär das ja fast schon als Scherz durchgegangen. Du nimmst die Waffe, rein aus einer Silvesterlaune heraus, und drückst ab, so als wenn du eine Wasserpistole in der Hand halten würdest, kapiert? Der Jürgen kriegt kurz einen Schreck und ’nen Kratzer und sonst ist eigentlich gar nichts passiert.«
»Warum sagst du mir das alles?«
»Weil sie dich sonst wegen versuchtem Mord kriegen, Kleine«, sag ich und steh auf. »Die Nummer mit dem Birkenberger, die durchschauen die doch im Handumdrehen. Und dann bist du fällig. Drum rate ich dir, geh lieber gleich zur Polizei und erzähl ihnen, dass es ein Jux war. Ein Spaß und sonst nix.«
Sie starrt auf den Boden.
»Abgesehen davon«, red ich weiter, »dass der Jürgen, ist er erst mal aus dem Krankenhaus raus, wahrscheinlich böse ist mit dir. Richtig böse sogar. Und er kann sich sicherlich erinnern, wie du abgedrückt hast. Aber wenn du ihm sagst, dass du ihm nur einen Schreck einjagen wolltest, dann ist es vielleicht nicht gar so schlimm.«
Jetzt beginnt sie zu weinen.
»Aber wenn die mich fragen, warum ich erst jetzt komme?«, schluchzt sie.
»Dann sagst du einfach, du wolltest zuerst deinen Rausch ausschlafen«, sag ich und steh auf.
Sie starrt wieder auf den Boden.
»Lass dir das durch den Kopf gehen«, sag ich auf dem Weg in die Diele und hoffe inständig, dass sie mir diese Story abkauft. Und dass sie einfach ihren Arsch in Bewegung setzt und in die verdammte Polizeiinspektion fährt, um ein Geständnis abzulegen. Gut, fair war das jetzt nicht. Aber war sie vielleicht fair?
»Warte«, hör ich sie grad noch. Dann schnappt sie ihre Jacke und Tasche vom Haken und folgt mir zum Wagen hinaus.
Gut, besonders glücklich ist sie nicht, als sie auf der Polizeiinspektion nach ihrem ausführlichen Geständnis die reine Wahrheit erfährt. Die Wahrheit, dass ihr Jürgen nun doch übern Jordan ist. Doch richtig unglücklich sieht sie eigentlich auch nicht aus, die Gabi. Mehr erleichtert vielleicht. Aber das gibt es ja häufig. Nein, wirklich, so ein Mörder ist durchaus froh, wenn er seine Taten endlich zugeben kann. Der eine oder andere hat mich nach seinem Geständnis sogar schon umarmt. Das tut die Gabi nicht. Dafür umarmt mich der Birkenberger, wie ich ihn endlich abholen kann. Er umarmt mich so dermaßen, dass es eigentlich schon fast peinlich ist. Außerdem küsst er mich auf jede meiner Wangen. Einige Male sogar. Und er weint ziemlich laut. Anschließend holen wir noch unser Zeug aus Schloss Berge und machen uns dann sofort auf den Heimweg. Nichts wie weg von hier. Der Rudi ist froh, dass er nicht mit dem Zug zurück muss. Fahren kann er allerdings nicht, weil er so verheulte Augen hat. Also fahr ich selber. Und ich ruf die Susi an. Silvester war scheiße, sagt sie. So ganz alleine. Und ob wir vielleicht ein bisschen nachfeiern wollen. Nur wir beide. Sie und ich. Und ob wir das wollen!
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