Kalifornische Sinfonie
sich die steilen Abhänge des Gebirges, dicht mit Chaparral bewachsen, einem Berggestrüpp von stumpfgrüner Farbe, das der Staub grau gefärbt hatte. Aus der Ferne wirkte das graue Gestrüpp wie ein rauher, zottiger Pelz, der die Hügel bedeckte. Hier und da gab es große kahle Stellen dazwischen, die den Eindruck erweckten, als sei der Pelz von Motten zerfressen. In weiterer Ferne hoben die Berge sich höher und hatten einen blauen Schimmer; sie standen wie blaue Karton-Attrappen vor dem Horizont.
Die Gebäude der Ranch standen auf freier Ebene zwischen den Hügeln. In der Mitte erhob sich ein langes braunes Gebäude aus ungebrannten Ziegeln; rundherum dehnte sich eine Ansiedlung kleinerer Häuser, die scheinbar ohne Plan und Zweck in die Landschaft gestellt waren. Zwischen den Häusern standen hier und da ein paar niedrige, struppige Bäume, grau und verstaubt wie alles andere. Die Felder waren von Gräben durchzogen, die von einem kleinen munteren Flüßchen gespeist wurden. Aber weder die Bäume noch die Felder zeigten irgendwo eine Spur frischen, leuchtenden Grüns. Alles – Bäume, Häuser, Felder und Hügel – machte unter der dichten Staubschicht einen müden und trostlosen Eindruck.
Garnet dachte: ich sehe vielleicht falsch. Der Wein hat mich benebelt; ich habe zu hastig und zu gierig getrunken. Aber sie sah nicht falsch, sie sah ausgezeichnet. Und sie kam zu der Erkenntnis, daß Kalifornien ein häßliches, trostloses Land sei.
Ihr Blick traf mit dem Florindas zusammen.
»Florinda«, flüsterte Garnet, »was halten Sie von dem, was Sie da sehen?«
Florinda lächelte und zog die mageren Schultern hoch. »Dieses ganze verdammte Land sieht aus, als ob man es in den Waschzuber stecken sollte«, sagte sie.
Oliver kam zurück. Er legte Garnet den Arm um die Schulter und bat sie, mit ihm zu kommen. Während sie ihm folgte, sah sie Florinda an der Seite von Mr. Penrose davongehen.
Oliver führte Garnet in das große, langgestreckte Ziegelhaus. »Es ist das Wohnhaus von Don Antonio«, sagte er; »der Señor war so freundlich, uns ein Zimmer zur Verfügung zu stellen.«
Garnet blickte sich neugierig um.
Auf dem Platz vor dem Haus grasten zahllose gesattelte Pferde. »Um Gottes willen«, sagte sie, »müssen wir heut noch irgendwohin reiten?«
Oliver verneinte lachend. »Auf einer kalifornischen Ranch stehen ständig gesattelte Pferde bereit«, sagte er, »niemand hier denkt daran, auch nur ein paar hundert Meter zu Fuß zu gehen.« Zahllose Leute standen und liefen herum, Männer, Frauen und Kinder, alle in grell leuchtenden Gewändern. Alle diese Leute gehörten zum Dienstpersonal des Hauses, erklärte Oliver.
»Mein Gott!« staunte Garnet, »so viele? Was machen sie alle?«
»Ich habe das selbst nie herausfinden können«, lachte Oliver. »Bis auf die Zeit der sogenannten Frühjahrs-Rodeos; da haben die Cowboys Arbeit: sie müssen das Vieh zählen, es mit der Brandmarke versehen und die schlachtreifen Tiere aussondern und schlachten. Nun, wir sind da. Jetzt kannst du dich ausruhen.«
Garnet seufzte erwartungsvoll. Sie hatte Schmerzen in allen Gliedern. Sie folgten beide einer mexikanischen Frau. Die Frau trug eine weiße Bluse und einen roten Rock. Das schwarze Haar hatte sie zu zwei kleinen Zöpfen gebunden, die wie Schweineschwänze aussahen und mit rotem Seidenband zusammengebunden waren. Sie öffnete eine Tür, trat zurück und ließ sie knicksend passieren. Garnet fand sich in einem kleinen quadratischen Zimmer. Die Wände waren rundherum mit leuchtend bunten Kalikovorhängen bespannt, die mit allerlei Figuren bedruckt waren. Es gab eine Wandbank und einen Tisch im Raum. Das Fenster hatte hölzerne Läden, und in der Nähe des Fensters befand sich ein Bett, ein richtiges Bett mit Kopfkissen und Decken. Auf der Wandbank stand eine blaue Tonschüssel und ein mit Wasser gefüllter blauer Krug.
Garnet lächelte beglückt. Es war seltsam und wunderbar zugleich, wieder in einem richtigen Zimmer zu sein. Sie ließ sich auf das Bett sinken und streckte wohlig die Glieder. »O Oliver!« seufzte sie, »ein richtiges Bett! Und so weich! Es ist nicht zu glauben.«
Oliver zog den Maultierpacken herein, der ihre Kleider und ihre persönlichen Sachen enthielt. Er lachte sie an, holte eine Orange aus der Tasche, bohrte ein Loch in die Schale und reichte sie ihr. Garnet sah mit starren Augen auf die Frucht. »Kann ich sie ganz allein haben?« fragte sie stammelnd.
»Aber ja. Du kannst noch viel mehr haben.
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