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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Florinda an. Beide lächelten verzerrt, ihre aufgesprungenen Lippen bluteten. Florinda sagte beinahe tonlos:
    »Garnet – sind wir da? Haben wir die Hölle passiert?«
    »Ich glaube, wir haben es«, sagte Garnet. Sie atmete schwer.
    Alle ritten nun in schnellem Trab. Garnet war es, als verlöre ihr Körper mit jedem Meter, den sie weiterkamen, eine Last. Der Staub wirbelte ihr immer noch ins Gesicht; sie mußte schlucken, um den Hustenreiz zu unterdrücken. Dann hörte sie wieder rufende Stimmen. Von der braunen Häusergruppe da unten kamen einige Reiter auf sie zu. Sie waren in rote und blaue Jacken gekleidet; gestreiftes Fahnentuch flatterte über ihren Köpfen. Die leuchtenden Farben hoben sich von dem eintönigen Graubraun der Landschaft wirkungsvoll ab. »Menschen!« keuchte Garnet. »Keine Digger. Zivilisierte Menschen!«
    Spanische Rufe gingen hin und her. Sie waren viel zu müde, um dem Sinn der Worte nachzulauschen. Aber sie sahen nun, daß die Männer von der Ranch die Männer der Trecks begrüßten und daß Wein-und Wasserflaschen getauscht wurden. Oliver sprang von seinem Maulesel und kam zu Garnet herübergelaufen. Sein staubverkrustetes Gesicht glühte.
    »Trink, Garnet!« sagte er, ihr eine Weinflasche reichend.
    Der Wein war kühl; es war wunderbar, ihn durch die Kehle rinnen zu lassen. Garnet stieß einen kleinen Schluchzer aus, während sie trank. Oliver war zum Umfallen müde, aber in seinen blitzenden Augen lachte der Triumph.
    »Wir sind da!« sagte er; es hörte sich an, als vermöchte er es immer noch nicht zu fassen, »wir haben es wieder einmal geschafft!«
    Von allen Seiten kam das Echo zurück; die Männer jubelten und schwenkten die Hüte: »Wir haben es wieder einmal geschafft!«
    Oliver half Garnet beim Absteigen. Garnet sah neben sich Florinda, die eine lederne Wasserflasche mit beiden Händen hielt und ohne abzusetzen trank, daß ihr das Wasser aus den Mundwinkeln lief und helle Streifen über ihre staubigen Wangen zog. Es machte jetzt nichts mehr; man brauchte nicht mehr mit jedem Tropfen Wasser zu sparen; vor ihnen im Blickfeld lag eine kalifornische Ranch; dort gab es Wasser im Überfluß. Garnet drückte ihre Weinflasche gegen den Busen. Sie sah sich um, sie sah die bärtigen, müden, verwilderten Männer, mit denen sie tagein, tagaus auf dem Treck zusammen war; sie preßte den Kopf gegen den Sattel der kleinen, dürren Stute und lachte und weinte und wußte sich nicht zu fassen vor Freude. So mußte sich Kolumbus gefühlt haben, als die erste grüne Küste sich über der Endlosigkeit des Meeres erhob. Jetzt weiß ich, wie Helden aussehen, dachte sie. Helden sind keine ordengeschmückten Generäle auf weißen Pferden. Helden sind rauhe, bärtige, verwilderte Männer, die Wüsten durchziehen und Hunger und Durst und alle erdenklichen Qualen ertragen und allen Unbilden zum Trotz durchhalten, bis sie das gesteckte Ziel erreichen.
    »Wart einen Augenblick«, sagte Oliver, »ich bin gleich wieder bei dir.«
    Garnet nickte und sah ihn davongehen. Um sie herum brüllte und schrie und lachte und weinte es. Hier und da zogen Männer Packen von den Mauleseln herunter. Andere saßen auf der Erde, hatten Flaschen in der Hand und waren schon dabei, sich zu betrinken. Garnet preßte eine Hand gegen den schmerzenden Kopf und seufzte vor Glück. Sie blickte sich um, und sie sah eine neue Welt. Und dann, ganz allmählich, zog ihre Stirn sich in Falten. Ihr Auge durchdrang die flirrenden Schleier von Hitze und Staub. Sie blinzelte und rieb sich die Augen, um den Staub herauszubekommen.
    Dies war das Ende des Weges. Dies war Kalifornien. Aber dieses Kalifornien, das sie erblickte, war durchaus kein Land des Grases und der Blumen. Garnet sah die rauhen und starren Grate ragender Gebirgsformationen, die auf eine traurige Ebene herabsahen, die wie versengt wirkte.
    Sie wußte nicht genau, was sie erwartet hatte. Aber sie hatte während des langen, endlosen Weges durch die Wüste unausgesetzt von Blumen, von stolz aufragenden Bäumen mit prachtvollen Kronen und von rauschenden Wassern geträumt. Einstweilen gewahrte sie nichts dieser Art. Soweit ihr Auge reichte, sah sie nichts als eintönig graubraunes Land, unwirtlich, struppig und staubbedeckt. Sie sah ein paar niedrige Hügel, dicht mit dürren, vertrockneten Eichen bestanden. Die Kronen der Eichen wiegten sich im Wind, wie die Wellen einer flauen See. Da und dort weidete Vieh auf den Hügeln; es stand knietief im braunen Gras. Weiter weg erhoben

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