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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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gewonnen zu haben. Die Veilchenaugen des Mannes blieben fast eine Minute auf ihr haften; dann wandte der Riese den Kopf und sagte irgend etwas zu John. John blickte auf, lächelte Garnet an und zog seinen Hut. Beide gingen weiter.
    »Oliver«, rief Garnet, »wer ist der Mann da? Der Riese neben John Ives?«
    Oliver trat hinter sie und sah über ihre Schulter hinaus; er lachte: »Das ist Johns barbarischer Freund.«
    »Was heißt das?«
    »Ein Russe. Habe ich noch nicht von ihm erzählt? Er lebte früher auf einer der russischen Pelzstationen im Norden. Jetzt hat er hier unten eine eigene Ranch.«
    »Wie heißt er?«
    »Ja, du lieber Gott! Sein eigentlicher Name ist schwer auszusprechen. Warte – er heißt mit dem Familiennamen Karakozof. Laß dir alles übrige von ihm selbst erzählen. Ich kann das nicht behalten.« Er zupfte an ihrem Haar. »Paß auf«, sagte er, »du wirst ihm häufiger begegnen. Es ist nicht zu vermeiden. Er nascht Frauen, wie Babys Zucker naschen.«
    »Warum nanntest du ihn ›barbarisch‹?«
    »Weil er ein Barbar ist. Ein liebenswerter Bursche, aber vollkommen unzivilisiert. John hat ihn unter seine Fittiche genommen und hat ihm dies und das beigebracht, aber er hat es beispielsweise nie fertiggekriegt, ihm den Gebrauch einer Gabel klarzumachen. Wollen wir hinausgehen?«
    Garnet nickte. In ihr waren Schauer heimlicher Erwartung. Kalifornien schien ein häßliches Land, aber vielleicht war es doch nicht so eintönig und stumpfsinnig, wie es im ersten Augenblick wirkte.
    Gleich vor der Tür wurde Oliver in ein Gespräch mit einem seiner Treiber verwickelt, der einige Fragen an ihn hatte. Garnet sah Florinda auf einer Bank sitzen, die sich an der Hausmauer entlang zog. Florinda hatte ihr Haar gebürstet und ein frisches Kattunkleid angezogen. Sie war so dünn geworden, daß das Kleid sie umschlotterte, und sie sah entsetzlich müde und mitgenommen aus. Aber als sie Garnet erblickte, hob sie die Hand und lächelte strahlend. Sie trug schwarzseidene Handschuhe mit halben Fingern, die sie beim Essen nicht abzulegen brauchte.
    »Kommen Sie, Garnet, setzen Sie sich ein bißchen zu mir«, sagte sie.
    Garnet setzte sich neben sie. »Wie fühlen Sie sich?« fragte sie.
    »Oh, ausgezeichnet! Sagen Sie Garnet, haben Sie dieses – dieses hübsche Tier in Himmelblau gesehen?«
    »Sie meinen den Russen?«
    »Ist er ein Russe? Dieser – unwahrscheinliche Panther mit dem Engelsgesicht?«
    »Oliver sagte es.«
    »Gut. Sehr gut! Ich habe noch nie einen Russen gesehen. Sehen sie alle so aus?«
    Garnet lachte: »Wie soll ich das wissen? Ich habe bisher auch noch nie einen erblickt.«
    »Jedenfalls«, sagte Florinda, »ist dieser Bursche das schönste und prachtvollste Mannsbild, das mir je vor die Augen gekommen ist. Ich habe ihn erst eben vor einer Minute gesehen. Mr. Penrose verzog sich, um das kalifornische Feuerwasser auszuprobieren. Deshalb ging ich hinaus und setzte mich hierher. Und dann sah ich dieses Prachtstück von einem Mann an der Seite von John vorbeistolzieren. Er sah mich sitzen und lachte mich an wie ein Junge, der einen Weihnachtsbaum sieht. Wer ist dieses hübsche Tier, Garnet?«
    Garnet erzählte ihr, was Oliver ihr gesagt hatte. Florinda kräuselte zweifelnd die Lippen.
    »Ein Barbar – dieser Mann?« sagte sie. Ihr Gesicht leuchtete auf; sie sah John und den Russen herankommen. »Passen Sie auf«, zischte sie, »sie kommen herüber. Sie wollen zu uns. Wenn dieser Mann ein Barbar ist, dann bin ich ein schielender Eskimo.«
    John kam mit dem Himmelblauen herangeschlendert. Der Russe strahlte über das ganze Gesicht. In Johns Zügen stand ein leicht amüsiertes Lächeln. Garnet mußte daran denken, was Oliver ihr über die Art des Russen, mit Frauen umzugehen, erzählt hatte. John sagte, herantretend:
    »Mrs. Hale, Miß Grove, darf ich Ihnen meinen Freund Mr. Karakozof vorstellen.«
    Der Russe machte eine tadellose Verbeugung. Als er zu sprechen begann, merkte man, daß er sich im Englischen nicht ganz sicher fühlte. Er sagte: »Ich bin – sehr vergnügt, sehr überrascht und erfreut, Ladys.«
    Garnet sagte: »Ich freue mich, Sir.«
    Florinda lächelte süß. »Wie war noch Ihr Name?« fragte sie; »ich habe Mr. Ives schlecht verstanden.«
    Der Russe verbeugte sich abermals: »Mein Name, schöne Lady, ist Nikolai Grigorievitch Karakozof.«
    Florinda starrte ihn an. »Wahrhaftig?« sagte sie.
    »Ja gewiß, Lady.« Das Lächeln liebenswürdiger Unschuld in seinem Gesicht vertiefte sich, und,

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