Kalifornische Sinfonie
als wollte er ihr behilflich sein, den schwierigen Namen zu erlernen, wiederholte er: »Nikolai Grigorievitch Karakozof.«
»Das kriege ich nie über die Zunge«, seufzte Florinda. »Können Sie das nachsprechen, Garnet?« Garnet schüttelte freimütig lächelnd den Kopf. Florinda schien einen Augenblick nachzudenken, dann strahlte ihr Gesicht wieder auf. »Hätten Sie sehr viel dagegen, wenn ich Sie anders nennen würde?«
»Warum? Nein!« sagte der Russe. »Wie eine reizende junge Dame mich nennt – alles gleich – alles gut, sehr, sehr gut! Wie soll ich heißen?«
»Das hübsche Tier!« kicherte Florinda.
Der Russe lachte, augenscheinlich erheitert, hell auf. »Das gut«, sagte er, »hübsches Tier! Gut, sehr gut!«
»Ich meine es nicht böse«, sagte Florinda.
»Oh, ich weiß. Es gefällt mir. Gefällt mir sehr gut. Sie gefallen mir auch. Sie gefallen mir alle beide. Zwei reizende Yankee-Damen. Ich bin – sehr erfreut. Ich habe schon mehr gesehen – Yankee-Damen. Oben in Sutter’s Fort, das ist nahe bei Fort Ross – Sie wissen? Ich hab’ da gewohnt. Sie waren reizend, sehr reizend, aber lange nicht so reizend wie Sie.« Er wandte sich Garnet zu. »Sie sind – Frau von Oliver Hale?«
»Ja«, versetzte Garnet, »ich bin Olivers Frau.«
»John hat mir gesagt. Wenn ich wäre – Oliver – ich würde sehr, sehr glücklich sein. Und Sie, schöne Lady« – er strahlte Florinda an, als habe er sie eben erst zu seinem Entzücken entdeckt – »Sie sind ganz wie ich. Sie sind ein – unbefruchtetes Ei.«
»Hölle und Teufelsbrut!« sagte Florinda.
Der Russe sah fragend auf John: »Was hat sie gesagt?«
John grinste. »Sie versteht deine Sprache nicht.« Er wandte sich Florinda zu und sagte erklärend: »Blonde Menschen sind hierzulande außerordentlich selten. Blonde Haare und blaue Augen bilden überall, wo sie auftauchen, eine Sensation. Der Kalifornier sagt dazu: ›Un huero‹ – das heißt so viel wie unfruchtbares oder unbefruchtetes Ei. Nikolai hat sich gefreut, Sie zu sehen, weil Sie hier, ebenso wie er, wie eine Laune der Natur wirken.«
»Oh!« strahlte Florinda, »nun verstehe ich.« Sie zwinkerte dem Russen kameradschaftlich zu. »Ich habe Sie wie ein Wunder angestarrt«, sagte sie, »und nun starren Sie mich ebenso an – hübsches Tier. Wir haben also Grund, Mitleid miteinander zu haben, weil wir beide – unfruchtbare Eier sind.«
In das Gesicht des Russen trat ein ernster Zug. »Ich – habe Mitleid mit Ihnen«, sagte er, »Sie sehen so – müde aus.«
»Ich bin sogar müde«, lachte Florinda. »Haben Sie jemals die Wüste durchquert?«
»Nein«, sagte Nikolai, »ich – kein großer Held. Sehr, sehr fauler Mensch. Habe den Cajón-Paß nie überschritten und – will es auch nicht.«
»Wenn Sie klug sind!« lachte Florinda.
Der Russe wandte sich seinem Begleiter zu. »Wie ist es, John«, sagte er, »können die beiden Damen bei uns bleiben bis zum Essen?«
»Wenn sie wollen«, knurrte John, »frage sie doch.«
»Aber ja, wir haben Zeit«, sagte Garnet, »bitte, setzen Sie sich doch zu uns.«
Die Männer ließen sich vor ihnen im Gras nieder. Der Russe schlang seine großen Hände um seine aufgestellten Beine und lächelte Garnet und Florinda an. »Mein Englisch sehr, sehr schlecht«, sagte er. »Bitte zu entschuldigen, wenn ich spreche falsch. Ich will lernen, viel lernen. John hat mir gegeben ein Buch. Ich werde lesen ganzen Winter lang.«
»Was ist das für ein Buch?« fragte Garnet.
Der Himmelblaue sah John fragend an. »Du mußt sagen, John. Ich nicht wissen.«
»Ach«, sagte John, »es ist eine Gedichtsammlung; mehr weiß ich auch nicht. Es ist das einzige Buch, das ich mit hatte. Es gibt nicht viele Bücher in Kalifornien.«
»Danke sehr, John«, lächelte Nikolai.
Als er sich Garnet und Florinda wieder zuwandte, stand ein fast schüchterner Ausdruck in seinem Gesicht. »Ich werde mehr sprechen mit Ihnen, Ladys«, sagte er; »Sie werden mich lehren, besser zu sprechen. Wollen Sie?«
»Selbstverständlich«, lächelte Garnet. »Aber Sie sprechen bereits ausgezeichnet. Wie lange sprechen Sie überhaupt schon Englisch?«
»Oh, ich hatte – wie soll ich sagen, John? Du weißt, als ich klein war.«
»Einen Hauslehrer.«
»Gut. Sehr gut. Einen Hauslehrer. Er sprach mit mir englisch. Aber ich war sehr klein. Habe alles vergessen. Oben in Fort Ross – wir sprachen russisch. Auch spanisch ein wenig, weil wir mußten hier herunter, zu kaufen Fleisch und Mehl von den
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