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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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entschlüpft; sie biß sich auf die Unterlippe. Aber Oliver schien nicht schockiert, er schien nur verwirrt.
    »Der ›Schmuckkasten‹?« sagte er, »was ist das?«
    »Das ist ein Varieté-Theater am Broadway in der Nähe des Parks. Wollen Sie sagen, Sie wären noch nicht dort gewesen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er, »ich war nicht dort. Aber jetzt, wo Sie davon sprechen, glaube ich, es von außen gesehen zu haben. Da ist ein großes Schild mit Blumen und Cupidos und ähnlichem Zeug. Meinen Sie das?«
    In Garnets Lachen klang etwas wie Verbitterung. Sie sagte: »Das ist der Unterschied zwischen uns. Sie können jederzeit dorthin gehen, wenn es Ihnen gefällt. Und weil Sie das können, bemerken Sie es kaum. Ich aber kann nicht hingehen, deshalb sterbe ich fast vor Neugierde.«
    »Aber was ist denn da Böses dabei?« fragte Oliver verblüfft. »Warum können Sie nicht dorthin gehen?«
    Sie zuckte die Achseln: »Ich weiß es nicht. Es ist eben so. Wenn wir abends dort vorbeifahren, sehe ich jedesmal eine Menge Menschen, die hineingehen; auch viele gutgekleidete Menschen. Aber niemals erwähnt jemand aus meiner Umgebung den ›Schmuckkasten‹, wenigstens nicht, wenn ich in der Nähe bin.«
    »Ja, du lieber Gott!« sagte Oliver, »was will man denn aus Ihnen machen? Will man Sie in rosa Seidenpapier wickeln und selbst in einen Schmuckkasten sperren?«
    »Ja«, stöhnte Garnet, »so ähnlich erscheint es mir manchmal.«
    Er lachte ein wenig spöttisch. »Warum sagen Sie nicht einfach: Ich möchte in den ›Schmuckkasten‹ gehen? Nur um zu hören, was man dazu sagt.«
    Garnet sah zu Boden; es zuckte um ihre Mundwinkel. »Ich tat es.«
    »Und – was geschah?«
    »Sie werden mich nicht verklatschen?«
    »Aber gewiß nicht. Was denken Sie!«
    Sie sah auf. »Nun ja, da war ein junger Mann namens Henry Trellen. Ich ging eines Tages mit ihm den Broadway hinauf. Als wir am ›Schmuckkasten‹ vorbeikamen, sah ich wie von ungefähr zu dem Schild hinauf und sagte so unschuldig wie möglich: ›Dort war ich noch nie.‹«
    »Und – Mister Trellen – was erwiderte er?«
    »Er sagte –, Garnet verzog ihr Gesicht zu einer gespreizten Grimasse – »er sagte: ›Ich bin überzeugt, Miß Cameron, die in diesem Etablissement gebotene Art der Unterhaltung würde Sie weder amüsieren noch belehren.‹«
    »O du heilige Einfalt!« rief Oliver, »haben Sie dem Narren wenigstens in sein dummes Gesicht geschlagen?«
    Sie seufzte: »Ich hatte wahrhaftig das Gefühl, ich müsse es tun. Aber das ging ja natürlich nicht. Und so senkte ich denn nur meine Augen und sagte: ›Bitte verzeihen Sie mir, Mr. Trellen. Man sagte mir nicht, daß der ›Schmuckkasten‹ kein passender Ort für mich sei.‹ Darauf versetzte er: ›Ich dachte mir, daß Sie das nicht wußten. Ich hätte mir auch nicht vorstellen können, daß Sie absichtlich unpassende Möglichkeiten erwögen.‹«
    Oliver lachte, von ihrer Darstellung gepackt und von ihrem Wesen bezaubert. Garnet aber verschwieg, daß sie bald nach jener Unterredung einen sehr förmlichen Brief von Mr. Trellen erhalten hatte, mit dem er ihr sein Herz, seine Hand und sein Vermögen zu Füßen legte. Eine junge Dame pflegte über ihre Heiratsanträge nicht zu sprechen. Indessen sagte sie:
    »Mr. Henry Trellen verkörpert die Art von jungen Männern, an deren Umgang ich gewöhnt bin. Nun ahnen Sie vielleicht, warum ich froh war, Sie kennengelernt zu haben.«
    »Soll ich Sie in den ›Schmuckkasten‹ führen?« fragte Oliver.
    »Man würde es Ihnen schwerlich erlauben.«
    »Wir könnten sagen, daß wir zu einem Konzert gingen.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das würde ich nicht tun. Nein«, fuhr sie fort, »die Sache ist nicht wichtig.« Sie gab sich Mühe, ihm zu erklären, was sie meinte. »Der ›Schmuckkasten‹ selbst ist nicht wichtig«, sagte sie. »Ich erwähne ihn auch nur, weil er mich jedesmal, wenn ich vorbeigehe, daran erinnert, daß es Dinge gibt, die zu tun mir verboten sind. Dinge, die jungen Damen ferngehalten werden. Vielleicht sind es nicht einmal interessante Dinge. Vielleicht würde ich den ›Schmuckkasten‹ gar nicht mögen und würde gar nicht wünschen, ein zweites Mal hinzugehen. Aber ich möchte wissen, was man mir vorenthält. Ich möchte mir meine eigene Meinung bilden – verstehen Sie das? Ich will sagen: wenn man mir etwa erlaubte den ›Schmuckkasten‹ zu besuchen, jederzeit, wann immer ich Lust dazu hätte – ich glaube, das reichte mir schon. Ich hätte

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