Kalifornische Sinfonie
ihm hoch. »Überlege es«, sagte er, »es ist eine harte Reise, es kann leicht eine schreckliche Reise werden. Bis Santa Fé ist es leicht, aber von da an –; der Weg führt durch Wüsten und Einöden, über steile Berge, durch wilde, gefährliche Schluchten; wir schlafen auf Büffelfellen. Du würdest mit seltsamen, rauhen Männern reisen müssen, du würdest Frauen erleben, wie du sie niemals sahst. Wir leben im Freien, wir essen merkwürdige Gerichte, wir – Garnet, bedenke: es wäre ein Leben, wie du es nie zuvor lebtest. Blühtest du nicht offensichtlich vor Gesundheit, ich könnte es niemals wagen, daran zu denken, dich alledem auszusetzen. Aber, o Garnet, willst du? Willst du wirklich?«
Seine Worte schienen Musikperlen. Sie hingen in der Luft und glitzerten. Sie lachte ihn an.
»O Oliver«, sagte sie, »wirst du jemals verstehen, was das alles für mich bedeutet? Weißt du nicht, daß jedes Wort, das du dagegen sagst, nur meinen Wunsch steigert, dich zu begleiten? Weißt du, daß du Bilder vor mir entwirfst, wie ich sie Tag für Tag vor mir sah, als ich in Miß Waynes Institut für junge Damen lernte, mich gesittet zu benehmen? Ja, ich will mit dir gehen. Ich werde merkwürdige Gerichte essen, ich werde auf Büffelfellen schlafen und das alles wird wunderbar sein. O Oliver, nimm mich mit nach Kalifornien.« Oliver zog sie sacht in die Arme und küßte sie. Er hielt sie so dicht an sich gepreßt, daß sie dachte, er würde ihr die Rippen zerquetschen. Es war wundervoll. Oliver war großartig. Die ganze Welt war plötzlich so wunderbar, wie sie sie sich oft in Träumen gewünscht hatte. Sie würde über den Jubelpfad nach Kalifornien ziehen.
Drittes Kapitel
Garnet und Oliver wurden im März getraut.
Vorher hatte es Kummer und Tränen gegeben. Die Mutter hatte geweint und der Vater hatte sich ernster gezeigt, als Garnet ihn jemals in ihrem Leben sah. Beide mochten Oliver gern, indessen fanden sie, Garnet kenne ihn noch nicht lange genug und auch sie selbst wüßten noch zu wenig von ihm. »Ich kenne ihn«, sagte Garnet. »Ich liebe ihn und er liebt mich auch. Versteht ihr nicht, wie das ist? Liebtet ihr euch nicht, als ihr heiratetet?«
Das war ein starkes, ein unwiderlegliches Argument. Garnets Eltern hatten sich sehr geliebt und liebten sich noch. Und doch hatten damals alle Leute gesagt, Garnets Mutter würfe sich weg.
Pauline Cameron war eine geborene Delacroix. Die Vorfahren ihres Vaters waren französische Hugenotten gewesen, die ihrer Mutter englische Pioniere. Ihre Familie war so alt, so stolz und so angesehen wie irgendeine in New York. Horace Cameron war der Sohn eines obskuren presbyterianischen Pastors aus einer kleinen Stadt in den oberen Staaten. Als er nach New York kam, besaß er nichts außer seinem Kopf und seinen Händen. Zur Zeit, da Pauline Delacroix ihm begegnete, war er ein kleiner, schlecht bezahlter Bankangestellter. Pauline aber hatte zahllose Bewerber. Jeder außer ihr selbst fand, daß sie eine ganz andere Partie hätte machen können.
Aber Pauline liebte Horace Cameron. Es war ihr nicht leicht geworden, die Einwilligung ihrer Eltern zu ihrer Heirat mit ihm zu erlangen. Sie hatte einen heftigen Kampf ausfechten müssen, der über ein Jahr währte. Schließlich gaben die Eltern nach, aber die Mutter weinte und der Vater war so erbittert, daß er Mühe hatte, den Hochzeitsgästen gegenüber die äußere Höflichkeit zu wahren.
Sie hatten ihr Eheleben in einem winzigen Häuschen mit nur einer Bedienung begonnen. Aber Pauline hatte es Spaß gemacht, sparsam mit Horaces Geld umzugehen. Sie brachte dann ihr erstes Kind zur Welt, ohne viel Aufhebens davon zu machen. Und sie wurde so glücklich mit Mann und Kind, daß ihre Eltern sich schließlich mit dem unwillkommenen Schwiegersohn aussöhnten. Da das Kind ein Mädchen und im Januar geboren war, bewies Mr. Delacroix die Wandlung seiner Gesinnung dadurch, daß er der kleinen Enkelin eine Schmuckgarnitur aus Granat, dem Januar-Geburtsstein schenkte; Pauline aber nannte das Töchterchen nach eben diesem Stein Garnet. Horace und Pauline Cameron waren ihrem innersten Wesen nach konservativ; und abgesehen davon, daß sie ihr gemeinsames Leben ertrotzten, hatten sie nie etwas getan, was die Kritik anderer Leute herausgefordert haben könnte. Sie führten von Anbeginn eine gute Ehe. Horace hatte sich geschäftlich schnell hochgearbeitet, sie hatten ihre drei Kinder und ihr Haus am Union Square, und nichts hatte Erregung und Unruhe in
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