Kalifornische Sinfonie
formell. Danach ging er zu Frémont, veranlaßte ihn, die Fahne herunterzuholen und befahl ihm, sich nordwärts nach Oregon zurückzuziehen.«
»Dann wäre der Streit also bereinigt?« fragte Garnet.
»Nicht ganz«, erwiderte John. »Es sieht so aus, als hätte der Konsul Frémont nicht ganz getraut. Jedenfalls hat er der amerikanischen Pazifik-Flotte, die sich im Hafen von Mazatlán an der Westküste Mexikos aufhält, eine Botschaft zugehen lassen, sie solle sich bereit halten, amerikanische Bürger in Kalifornien unter ihren Schutz zu nehmen, für den Fall, daß es zwischen Frémonts Leuten und Castros Truppen zum Kampf kommen sollte. Die Kriegsschaluppe P ORTSMOUTH erhielt daraufhin entsprechende Befehle und ankert gegenwärtig in der San Francisco Bay.« John lächelte dünn. »Da liegt sie also«, sagte er, »und es geht das Gerücht, sie bliebe auch da.«
Florinda ließ einen leisen Schrei hören. »Um Gottes willen, John«, sagte sie, »meinen Sie ernsthaft, es würde Krieg geben?«
»Ich meine, daß diese Geschichte eine gute Gelegenheit abgibt«, entgegnete John, »Frémont hin, Frémont her, in jedem Fall hat er etwas ausgelöst. Ich glaube allerdings, daß der Krieg jede Minute ausbrechen kann.«
Die Frauen starrten ihn an. »John«, flüsterte Garnet, »wie meinen Sie das?«
»Nun«, fuhr John fort, »die Republik Texas besteht möglicherweise in diesem Augenblick schon nicht mehr. Sie ist vielleicht schon der Unions-Staat Texas. Mindestens sind alle Amerikaner der Meinung, die Republik werde es sich zur Ehre anrechnen, in den Verband der Staaten aufgenommen zu werden. Für Mexiko würde das aber sehr wahrscheinlich Anlaß genug sein, der Union den Krieg zu erklären.«
»Großer Gott!« keuchte Garnet. »John, wenn es wirklich zum Krieg kommen sollte, was, um alles in der Welt, tun wir?«
»Ich glaube nicht, daß wir uns Sorgen machen müssen«, versetzte John. »Die Yankees in Kalifornien sind immer mit den Einheimischen gut ausgekommen. Und die mexikanische Regierung ist hierzulande wenig beliebt. Wenn also nicht ein paar unbesonnene Narren vom Schlage Frémonts unseren guten Ruf ruinieren, werden die Kalifornier vermutlich ganz gern die Gelegenheit wahrnehmen, sich von Mexiko zu trennen.«
»Wir werden also nicht in irgendwelche wilden Schießereien hineingeraten und umgebracht werden?« sagte Florinda.
»Kaum.«
Florinda atmete auf. »Sie wälzen mir einen Stein vom Herzen, John. Ich möchte es nämlich sehr gerne den Helden überlassen, Krieg zu führen, wenn sie meinen, es tun zu müssen. Ich für meine Person möchte jedenfalls wieder hinter meine Bar. Wann können wir aufbrechen, John? Garnet ist nun wieder soweit.«
John stand auf. »Sie können bestimmen, wann Sie reiten wollen«, sagte er. »Nikolai und ich werden Sie begleiten.« Sein Gesicht verzog sich zu einem Lächeln. »Ich habe Silky versprechen müssen, Miß Florinda so bald als möglich nach Los Angeles zurückzuschaffen. Er vermißt sie schwer.«
Florinda kicherte. »Mich weniger, Johnny, aber den Profit, den ich ihm einbringe. Nun, er soll mich wiederhaben. Ruh dich aus, Garnet; ich packe unsere Sachen zusammen. Ich hoffe, es bleibt dir erspart, den ehrenwerten Mr. Charles Hale jemals wiederzusehen.«
»Wahrhaftig, das hoffe ich auch«, sagte Garnet.
Einunddreißigstes Kapitel
Charles hatte von Garnets Plan, nach Los Angeles zu gehen, nichts geahnt. Als sie zu ihm ins Zimmer trat und es ihm mitteilte, war er nicht nur wütend, sondern geradezu entsetzt. Er denke gar nicht daran, der Witwe seines Bruders zu gestatten, über einem Bar-und Spielsalon zu wohnen, sagte er. Garnet zuckte die Achseln und erwiderte kurz, sie habe ihn nicht um seine Erlaubnis gebeten; es sei ihr völlig gleichgültig, was er gestatte oder nicht gestatte.
Das verschlug dem Manne für einen Augenblick die Sprache. Er war es offensichtlich nicht gewöhnt, einen Menschen im Haus zu haben, der es wagte, ihm zu widersprechen. Doch faßte er sich ziemlich schnell und trug wieder die gewohnte Miene kalter Herablassung zur Schau. »Ausgezeichnet«, sagte er, »gehen Sie also mit dieser Person nach Los Angeles. Ich werde mir keine Gedanken darüber machen, was aus Ihnen wird.«
»Das freut mich«, entgegnete Garnet kurz.
Charles schien sie nicht zu hören. »Ich mache mir keine Gedanken darüber, was aus Ihnen wird«, wiederholte er; er zischte die Worte zwischen seinen schadhaften Zähnen heraus. »Aber ich warne Sie. Ich werde mich sehr stark
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