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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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nicht schreien zu müssen. Die Wehe ließ nach, und Florinda beugte sich über das Bett.
    »Garnet«, flüsterte sie, »ich wollte dir etwas sagen; hör zu.« Sie strich der Kreißenden eine feuchte Locke aus der Stirn. »Versuche nicht gegen den Schmerz anzukämpfen«, sagte sie, »du kannst das nicht aushalten, ohne zu schreien. Ich weiß genau, was ich sage. Erinnerst du dich?« Sie lächelte. »Ich weiß natürlich, was du denkst. Du willst nicht, daß die Kerle da unten in der Bar merken, was hier oben vorgeht. Habe ich recht?«
    Garnet nickte und Florinda kicherte: »Du brauchst dich deswegen nicht zu sorgen. Ich werde den Kerlen eine Vorstellung geben. Weißt du noch, wie ich in Santa Fé die ganze Fonda auf den Kopf gestellt habe? Ich werde einen ähnlichen Zirkus veranstalten. Ich werde ihnen sämtliche unzüchtigen Schlager vorsingen, die ich kenne. Ich werde so laut singen, wie ich kann, und werde sie alle zum Mitsingen veranlassen. Ich weiß Lieder genug, um sie bis zum nächsten Dienstag in Atem zu halten.«
    Garnet verzog das Gesicht. »O Florinda«, flüsterte sie, »du bringst mich zu den unmöglichsten Zeiten zum Lachen.«
    »Der Gedanke gefällt dir also? Fein! Ich fange gleich an mit dem Programm. Und wenn dann die Wehen wiederkommen, schreie ruhig, so laut du willst. Kein Mensch wird es hören. Ich schreie lauter als du.« Sie hauchte Garnet einen Kuß auf die Stirn und eilte wieder hinab. Wenige Minuten später hörte Garnet sie schon einen Schlager singen. Gläser und Becher klirrten und klapperten, Begeisterungsschreie und Gelächter erhoben sich; die ganze Bar schien in Aufruhr. Florinda hatte den Gästen weiter keine Erklärung gegeben, sondern hatte nur gesagt, sie fühle sich heute abend so gut aufgelegt, sie wisse sich nicht zu lassen vor Glück, und wenn sie glücklich sei, müsse sie singen. Und also werde sie den Herrschaften eine Vorstellung geben. »Paßt auf, Boys! Hört zu!« Und schon war sie von halbtrunkenen, singenden, gröhlenden und schreienden Männern umringt. Sie hielt den Spektakel so lange in Gang, bis die Tür aufging, Texas seinen Kopf hereinsteckte, »Es reicht!« sagte und die Tür wieder zuknallte. Florinda war heiser, konnte sich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten und der Schweiß tropfte ihr von der Stirn. Sie sang ihren Schlager zu Ende, sagte: »Aus, Boys! Die Bar ist geschlossen!« und sprang vom Tisch herunter, auf dem sie gestanden hatte. Die Männer protestierten, aber Florinda war eisern. Silky kam aus dem Spielsalon und half ihr, die Gäste hinauszubefördern. Silky wußte, zu welchem Zweck sie den Zauber veranstaltet hatte, und bemerkte, sie sei eine großartige Person. Florinda wischte sich das schweißverströmte Gesicht am Ärmel ab und ging hinauf, sich den neuen Erdenbürger zu besehen.
    Texas kam ihr am oberen Ende der Treppe entgegen. »Ein Junge«, sagte er. »Er hat Hände und Füße und alles, was er haben muß.«
    »Wie geht es Garnet?«
    »Gut.« Texas grinste. »Sie scheinen einen ganzen Haufen verdammt saftiger Schlager zu kennen«, sagte er.
    »Ich wußte gar nicht, daß Sie eine so empfindliche Seele haben«, antwortete Florinda. »Wenn es Ihr zartes Gemüt verletzt hat, brauchten Sie ja nicht hinzuhören.«
    »Ich habe gar nicht daran gedacht, Sie kritisieren zu wollen«, versicherte Texas. »Jedenfalls war es eine großartige Idee, den Spektakel zu veranstalten.«
    Florinda grinste. Sie mochte Texas gern, Texas mit seinem zottigen braunen Haar, seinem verwilderten Bart und dem feinen Netzwerk roter Adern unter der Haut. Sie mochte vor allem seine klugen und guten braunen Augen. »Texas«, sagte sie, »ich weiß schon, wie Sie es meinen. Gehen Sie hinunter und holen Sie sich was zu essen. Ich werde jetzt bei Garnet bleiben.« Texas humpelte die Treppe hinab, und Florinda begab sich in das Schlafzimmer. Garnet schlief.
    Garnet war in ihrem ganzen Leben nicht so froh gewesen, einen Menschen neben sich zu wissen, wie in dieser Nacht, da sie Texas an ihrer Seite wußte. Texas war so zart und so rührend besorgt und jeder Handgriff, den er tat, verriet eine solche Sachkunde, daß sie die schreckliche Angst, die sie vorher gequält hatte, von Minute zu Minute schwinden fühlte. Sie hätte nicht sagen können, wodurch er so beruhigend auf sie wirkte. Jedenfalls war er noch keine zehn Minuten bei ihr, da vertraute sie ihm bereits vollkommen. Er konnte ihr die Sache selbst nicht abnehmen, aber er konnte ihr das Gefühl vermitteln, es

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