Kalifornische Sinfonie
amerikanische Heeresabteilung kommt, um Kalifornien zu übernehmen«, flüsterte sie. »Oh, Florinda, es ist wundervoll!«
»Nicht wahr? Ich konnte es nicht länger für mich behalten und habe mich für ein paar Minuten losgemacht, um es dir zu sagen.« Florinda stand auf. »Aber nun muß ich zurück«, sagte sie. »Wenn du ein paar Minuten allein bleiben wolltest, könnte Texas eben mit herunterkommen, um ein paar Bohnen zu essen.« Sie legte die Hand auf die Klinke und drehte sich noch einmal um. »Oh«, lachte sie, »fast hätte ich etwas vergessen. Die Kerle, die Señor Vallejos Ranch überfielen, sollen zusammen mit anderen Freiwilligen inzwischen reguläre Soldaten geworden sein. Die Truppe nennt sich jetzt Bataillon Frémont. Sie sollen auch schon ruhmvoll und tapfer nach Süden marschieren.«
»Reguläre Soldaten?« rief Garnet, »die Räuber und Plünderer?«
»Stell dir das vor! Die Boys unten meinen, wenn sich die Kriegsnachrichten noch um ein paar Wochen verzögert hätten, wären die Banditen schon des Landes verwiesen worden. Nachdem nun aber alles so gekommen ist, meinen sie, sie hätten den Anfang mit der Eroberung Kaliforniens gemacht, als sie aus einem Bettlaken und einem roten Flanellunterrock eine Bärenfahne machten. Nun kennst du also den Unterschied zwischen einem Helden und einem Strolch.«
»Hör auf!« sagte Garnet. »Du bringst mich zum Lachen, und das tut noch weh.«
»Entschuldige bitte. Aber es ist wirklich eine spaßige Sache. Kommen Sie herunter, wenn Sie soweit sind, Texas. Auf dem Küchenherd steht ein Topf mit Bohnen.«
Florinda warf beiden eine Kußhand zu, schlüpfte hinaus und schloß die Tür hinter sich. Garnet fühlte sich von einem warmen Glücksschauer überrieselt. Wie wunderbar! dachte sie. Ich kann nicht in mein Land zurückkehren, da kommt mein Land zu mir.
Texas stand noch immer am Waschständer. Garnet dachte, er wolle ihr noch einige Verhaltensmaßregeln erteilen; sie wandte ihm den Kopf zu. Texas sah sie nicht an. Er schien vergessen zu haben, daß sie da war. Er stand da, starrte auf den Fußboden und fuhr mit seiner Hand ruhelos über den Rand des Waschbeckens. Der Kerzenschein fiel auf sein Gesicht.
Garnet furchte die Stirn und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Sie dachte zunächst, sie sähe nicht klar. Sie war noch sehr schwach und zuweilen schwamm es ihr vor den Augen. Aber dann wußte sie auch schon, daß sie nicht falsch gesehen hatte: Auf Texas’ bärtigem Gesicht glitzerten Tränen.
Die Tränen tropften in den verwilderten Bart. Plötzlich, als werde ihm jäh bewußt, daß er nicht allein sei, drehte Texas sich um und humpelte, ohne ein Wort zu sagen, aus dem Zimmer, die Tür hinter sich schließend. Aber er ging nicht hinunter in die Küche. Durch den wilden von unten heraufdringenden Lärm hörte Garnet, daß er sich auf dem Treppenabsatz niedersetzte; sie hörte, wie sein steifes Bein dabei anstieß.
Hoffentlich weiß er nicht, daß ich seine Tränen gesehen habe, dachte Garnet verwirrt. Was war da mit Texas? Er hätte glücklich und fröhlich sein müssen, wie alle anderen; auch er war ja ein Yankee. Aber er war ganz offensichtlich nicht glücklich. Die Soldaten der Union zogen in Kalifornien ein, und Texas weinte.
***
In den nächsten Tagen hörte Garnet mehr von dem großen Ereignis.
Die Republik Texas hatte sich die Freiheit von Mexiko schon vor zehn Jahren erkämpft. Das Land Texas wurde von Amerikanern bewohnt, die sich dort angesiedelt hatten, und von Texanern, die nichts gegen die Vereinigung mit den USA einzuwenden hatten. Aber obwohl die führenden Länder der Welt Texas längst als Nation anerkannten, wurde das Land von Mexiko immer noch als rebellische Provinz behandelt. Mexiko hatte nie einen Zweifel daran gelassen, daß es Krieg führen würde, wenn Texas ernsthaft auf den Gedanken verfalle, sich den Vereinigten Staaten anzuschließen.
Es gab viele Amerikaner, die der Meinung waren, Texas lohne keinen Krieg mit Mexiko. Die Frage hatte schon 1844 im Mittelpunkt des Wahlkampfes gestanden, als James K. Polk und Henry Clay um die Präsidentschaft kämpften. Mr. Polk wollte den Anschluß von Texas, um weitere Ausdehnungsmöglichkeiten nach Westen zu bekommen. Er wollte den Anschluß mit oder ohne Krieg. Mr. Clay war der Meinung, die Union sei groß genug. Mr. Polk wurde gewählt und der Kongreß deklarierte das Land Texas zu einem Staat der USA. Anschließend gab es ein paar Monate ständiger Nervosität; jedermann schien in
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