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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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natürlich hierbleiben und Florinda für sich sorgen lassen. Aber schon während sie das dachte, glaubte sie John Ives’ grünschimmernde Augen mit einem Ausdruck abgründiger Bitterkeit auf sich gerichtet zu sehen und seine Stimme zu hören: »Waren Sie schon einmal ein Objekt der Wohltätigkeit?« Eins war unwiderruflich klar: Sie würde nicht zu Charles zurückkehren.
    Sie mußte an ihren Vater denken. Der hatte jetzt noch nicht einmal den Brief in Händen, mit welchem sie ihm Olivers Tod mitteilte; er lebte noch in dem Glauben, sie und Oliver kämen im Herbst nach New York zurück. Wenn er den Brief erhielt und ihr eine Nachricht zukommen lassen wollte, mußte er versuchen, einen Kapitän aufzutreiben, der im Begriff war, nach Kalifornien zu segeln. Es konnten zwei und eventuell auch drei Jahre vergehen, bis sie wieder etwas von zu Hause hörte.
    Garnet versuchte zu überschlagen, wieviel Geld sie noch besaß. An die fünfzig Dollar befanden sich in ihrer Börse; achtunddreißig Dollar standen bei Mr. Abbott, abzüglich des Preises für das Riechwasser, das Florinda gekauft hatte. Dann besaß sie noch die Smaragdohrringe, die Florinda ihr in New Orleans geschenkt hatte, und den Granatschmuck, nach dem sie benannt worden war. Sie hatte keine Ahnung, welchen realen Wert die Juwelen besaßen.
    Zur Siestazeit kam Florinda herauf, zog ihr Kleid aus, legte sich hin und schlief auf der Stelle ein. Sie erwachte erst kurz vor Sonnenuntergang. Garnet brauche nicht zum Abendessen hinunterzugehen, sagte sie; Micky würde ihr das Essen heraufbringen. Und sie eilte schon wieder an ihren Bartisch zurück, bevor Garnet noch sagen konnte, daß sie keinen Hunger habe.
    Nicht lange danach klopfte es an der Tür und Micky erschien; er brachte Bohnen mit Fleisch und Tortillas. Nachdem er das Zimmer verlassen hatte, stellte Garnet das Tablett, so wie es war, auf die Wandbank und breitete ein Handtuch darüber, um die Spinnen abzuhalten. Vielleicht würde sie später etwas essen.
    Sie sah zum Fenster hinaus. Die späte Nachmittagssonne lag über der Ortschaft; die Luft war schon von herbstlicher Kühle erfüllt. Im Osten konnte sie den Lauf des Flusses verfolgen, dessen Ufer von wildem Tabakgebüsch überwuchert wurden. Dahinter erhob sich der stumpfe, oben abgeplattete Hügel eines Tafelberges. Und dahinter erstreckte sich, wellenförmig ansteigend, das Land, stieg höher und höher und ging irgendwo in weiter Ferne in das Gebirge über, dessen Kontur als hauchdünne Linie am Horizont eben noch sichtbar war. Die Linie verschwamm in dem phantastischen Farbenspiel von Gelb, Braun und Purpur, das die im Westen stehende Sonne erzeugte. Hinter der schmutzigen kleinen Ansiedlung zu ihren Füßen erhob sich das Gebirge wie eine stolz ragende Festung, erbaut für ein Geschlecht königlicher Riesen.
    Garnet wandte sich um; ihr Blick fiel auf den Spiegel. Sie trat näher und besah ihr Gesicht. Wie gesund sie aussah! Gesund und frisch genug jedenfalls, um ihren Lebensunterhalt selbst verdienen zu können. Unklar war eigentlich nur das Wie. Nachdem sie die Krankheit überwunden hatte, waren ihre alten frischen Farben zurückgekehrt. Das wellige schwarze Haar und die rosigen Wangen erinnerten sie an den Augenblick, wo sie in New Orleans neben Florinda vor dem Spiegel gestanden hatte. »Wir sind eine Sensation!« hatte Florinda damals gesagt, »ich wollte, wir könnten in einem Geschwisterakt auftreten!«
    Garnet starrte auf ihr Spiegelbild und trat ein paar Schritte näher heran. »Wir könnten vielleicht«, flüsterte sie, »wir könnten vielleicht beide zusammen an der Bar arbeiten.« Der Gedanke traf sie wie ein Hieb. Ihr ganzer Instinkt wehrte sich dagegen. Ein Zittern lief durch ihren Körper, als das grölende Gelächter Betrunkener zu ihr heraufdrang. »Ich kann nicht!« schrie sie; »ich kann das nicht!« Aber schon während ihr Mund die Worte herausstieß, wußte sie: Es ist nicht so, – ich kann es doch!
    Sie erinnerte sich daran, wie sie gegen die Schranken aufbegehrt hatte, die eine kompromißlose Erziehung um sie errichtete. Sie dachte daran, wie die Neugier sie geplagt hatte, Etablissements wie den ›Schmuckkasten‹ und ähnliche Häuser am City Hall Park kennenzulernen. Hatte sie nicht immer gewünscht, die Welt zu sehen, wie sie wirklich war? Sie lächelte in einem Anflug ingrimmiger Heiterkeit. Das Leben gab einem schließlich immer, was man wollte. Aber es benahm sich so wie ein Kaufmann, der einen aufforderte, gleich zu

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