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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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wolle nur ihre neu gekauften Schuhe herausholen. »Aber was ist dir? Wie siehst du aus?« rief sie dann, als sie Garnets Gesicht sah. »Du bist ja ganz grün. Fühlst du dich nicht wohl?«
    »Oh, es ist nicht schlimm. Es wird gleich wieder vorbei sein«, sagte Garnet.
    »Vielleicht solltest du dich doch drinnen noch einen Augenblick hinsetzen?«
    Garnet schüttelte den Kopf: »Nein. Ich möchte lieber nach Hause.« Das Wort ›nach Hause‹ kam mit einem kleinen ironischen Unterton heraus. Sie hatte kein Zuhause. Es war ihr gestattet worden, ein kleines Zimmer über einem Bar-und Spielsalon mit zu bewohnen; sie war abhängig von Florindas Freundschaft. Oder sie konnte bei Mr. Charles Hale auf einer Ranch wohnen. Das würde darauf hinauslaufen, daß Charles ihr Kind als sein Eigentum an sich ziehen würde. Das Kind würde aufwachsen, ohne je so etwas wie Selbstachtung oder Gefühl für Verantwortung kennenzulernen. Es würde ebenso wie sein Vater zu einem Menschen ohne Selbstvertrauen heranwachsen und sie selbst würde keinerlei Einfluß auf seine Erziehung haben. »So, mein Schatz, ich bin da; jetzt gehen wir nach Hause, und dann legst du dich hin«, sagte Florinda, aus dem Laden heraustretend. Sie sah Garnet an und wandte sich zurück. »Oh, Mr. Collins«, rief sie, »könnten Sie das Geschäft nicht einen Augenblick im Stich lassen und mir helfen, Mrs. Hale nach Hause bringen? Sie fühlt sich nicht wohl.«
    Mr. Collins erschien und verbeugte sich. Er war ein ehrgeiziger junger Yank, der davon träumte, eines Tages so viel beiseite gelegt zu haben, um selbst in das Santa-Fé-Geschäft einsteigen zu können. Warum sollte er einer reichen Kundin seines Chefs nicht einen kleinen Dienst leisten? Er reichte Garnet respektvoll den Arm, während Florinda noch einmal in den Laden zurückging. Garnet hörte sie noch sagen:
    »Ach, Mr. Abbott, geben Sie mir bitte etwas Riechsalz und ein Fläschchen Lavendelwasser. Danke ja, das ist gut. Buchen Sie es von Mrs. Hale’s Konto ab.« Sie kam hinter den schon Vorangegangenen her und trug in der einen Hand ihre neuen Schuhe, in der anderen ein kleines blaues Fläschchen, das sie Garnet zusteckte. »Das ist ein Riechwasser, wie die Damen es hier brauchen«, sagte sie, »es wird dir guttun. Dies verdammte Kaff hier läßt mich manchmal wünschen, ich hätte keine Nase.«
    Garnet dankte und mühte sich, eine ironische Bemerkung zurückzuhalten. »Riechwasser. – Buchen Sie es von Mrs. Hale’s Konto ab!« Auch Florinda hielt sie für eine reiche Frau.
    Sie wankte zwischen Florinda und Mr. Collins zu Silkys Etablissement zurück. Mr. Collins verbeugte sich tief und versicherte, es sei ihm ein großes Vergnügen gewesen, Mrs. Hale einen kleinen Dienst erweisen zu dürfen. Garnet fragte sich, wie dieser junge Mann sich wohl benommen haben würde, hätte er gewußt, daß sie nicht einmal hundert Dollar besaß. Sie betraten das Haus durch eine Seitentür. Silky gewahrte sie und rief nach Florinda. »Ein paar Gäste verlangen nach Ihnen«, sagte er.
    »Gleich – sollen einen Augenblick warten«, rief Florinda zurück, ergriff Garnet am Arm und geleitete sie die Treppe hinauf. Vor der Schlafzimmertür sagte Garnet:
    »Geh jetzt nur. Ich fühle mich besser. Mir war ein wenig schwindlig zumute. Es tut mir leid, daß ich dir Mühe machte.«
    »O Ratten! Entschuldige dich doch nicht«, sagte Florinda. »Dafür kannst du doch nichts. In diesen letzten Wochen fühlt so ein Kind sich an, als wöge es neunzig Pfund.«
    Sie half Garnet noch, ihr Kleid auszuziehen und einen leichten Morgenrock anzulegen, und bat sie, sich nun erst einmal hinzulegen. Garnet gehorchte, und Florinda lief die Treppe hinab. Einen Augenblick hörte Garnet die Männer an der Bar unten fragen, wo sie gesteckt habe. Sie zuckte die Achseln. Wenn es mein Beruf wäre, andere Leute zu amüsieren, wäre es mir nicht erlaubt, müde zu sein, dachte sie. Aber Florinda ist anders; sie hat niemals viel Rücksicht von anderen Menschen erfahren, deshalb erwartet sie selbst auch keine.
    Das eben ist mein Unglück! dachte sie. Während meines ganzen Lebens haben andere für mich gesorgt und auf mich geachtet. Das ist nun vorbei. Jetzt muß ich für mich selbst sorgen. Für mich und auch noch für mein Kind.
    Aber was, um alles in der Welt, sollte sie tun? Es ist schon gut, wenn man sagt: Ich sorge für mich selbst! Aber man muß es auch können. Wenn jemand in so einer Patsche sitzt, wie sie jetzt, – was kann er tun? Sie konnte

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