Kalifornische Sinfonie
Amerika wie in Mexiko darauf zu warten, daß von der anderen Seite der erste Schuß fiele. Dann, im April 1846, begann der Krieg an der Grenze von Texas.
Zu dieser Zeit ankerte die Pazifik-Flotte der Vereinigten Staaten in Mazatlán an der Westküste Mexikos. Der Kommodore John Drake Sloat, der Kommandant der Flotte, war sich klar darüber, daß es nicht nur um Texas, sondern auch um Kalifornien ging. Nachdem im Osten Mexikos der Krieg im Gange war, segelte er hinauf nach Monterey, der Hauptstadt Kaliforniens, und hißte auf dem Zollgebäude das Sternenbanner.
Die Señores Pico und Castro, die zivilen und militärischen Häupter Kaliforniens, waren untereinander seit langem in einen so erbitterten Kampf verwickelt, daß keiner von ihnen an die Möglichkeit dachte, es könne jemand von draußen kommen, um sie beide abzusetzen. Als Kommodore Sloat in Monterey eintraf, waren weder Pico noch Castro zugegen. Es befand sich überhaupt niemand in der Stadt, der irgendeine Autorität verkörpert hätte und befugt und gewillt gewesen wäre, Sloats Forderung nach Übergabe anzunehmen oder abzulehnen. Es war kein Mensch da, der zu Recht oder zu Unrecht so etwas wie eine Regierungsgewalt ausübte.
Es geschah am 7. Juli des Jahres 1846, daß Kommodore Sloat das Sternenbanner auf dem Zollhaus in Monterey hißte. Zwei Tage später zog Kapitän Montgomery von der Kriegsschaluppe P ORTSMOUTH in Yerba Buena die amerikanische Flagge hoch. Jetzt versuchten die Señores Pico und Castro ein kalifornisches Heer aufzustellen, um den Kampf für Mexiko aufzunehmen. Aber es war zu spät. Die Kalifornier zeigten nicht die geringste Neigung, sich für Mexiko zu schlagen. Das Sternenbanner flatterte an den Fahnenstangen, die Kapellen spielten amerikanische Weisen, und Kalifornier und Yankees schienen gleicherweise mit dem Gang der Ereignisse einverstanden.
Am 15. Juli erreichte USS K ONGRESS, unter dem Kommando von Kommodore Robert F. Stockton, Monterey. Von diesem Zeitpunkt an schien der nördliche Teil Kaliforniens befriedet. Stockton segelte nach Süden, um Los Angeles zu besetzen. Man rechnete schon für die nächsten Tage mit dem Eintreffen der Matrosen und der Marine-Infanterie.
Wenn dies eine Eroberung war, so war es ganz gewiß die einfachste und unkomplizierteste der Geschichte.
Texas hielt sich ununterbrochen in Silkys Haus auf. Er sorgte rührend für Garnet und ihr Kind. Nachts schlief er, in Decken gehüllt, in dem kleinen Vorraum unter der Treppe.
Die Bar betrat er nicht. Ob er es vermied, um nicht in die Versuchung des Trinkens zu geraten, oder ob er vermeiden wollte, über die politischen Ereignisse zu diskutieren, blieb unklar. Garnet wußte es nicht. Er sprach ihr gegenüber mit keinem Wort von der Eroberung Kaliforniens. Sprach ein anderer von den großen Tagesereignissen, stand er schweigend dabei und griff niemals in das Gespräch ein.
Jeder andere schien trunken vor Begeisterung. Als Garnet in der Lage war, Besuch zu empfangen, erschien Silky im Schlafzimmer, küßte der jungen Mutter die Hand und versicherte, es erfülle ihn mit Stolz, daß unter seinem bescheidenen Dach ein kleiner Yankee geboren worden sei. Florinda kam heraufgestürmt, sooft sie nur eben abkommen konnte; sie brachte dann jedesmal einen Sack voll Neuigkeiten mit. Auf der Straße unterhalb ihres Fensters konnte Garnet die Yankees lachen und grölen hören. »Wenn man die Boys hört, sollte man meinen, sie hätten Kalifornien erobert«, sagte Florinda spöttisch. »Selbst diejenigen, die nie davon sprechen, weshalb sie hier herauskamen, sind verrückt vor Freude. Wahrscheinlich sagen sie sich, daß die anrückenden Soldaten Wichtigeres zu tun haben, als sich um ihre Vergangenheit zu kümmern und sie einzusperren wegen irgendwelcher Geschichten, die dreitausend Meilen ostwärts irgendwann einmal passierten.« Sie kicherte und Garnet mußte lachen. Sie dachte an New Orleans und an den Witwenschleier. Aber Texas, der auf der Wandbank am Fenster saß und auf die fernen Berge blickte, lachte nicht.
Garnet dachte seit langem fortgesetzt darüber nach, wie sie ihr Kind nennen sollte. Das Übliche wäre gewesen, ihm den Namen seines Vaters zu geben; aber das wollte sie nicht. Oliver hatte sie zu tief enttäuscht; es tat ihr weh, auch nur den Namen auszusprechen. Sie bat Florinda um Vorschläge. »Oh«, meinte Florinda, »Leander vielleicht, das klingt wundervoll. Oder wie wäre es mit Murgatroyd?«
Garnet dankte ihr herzlich, meinte aber, das seien nicht
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